Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
U-Bahn, fahren zum Jungfernstieg, bummeln durch die Altstadt und genießen bei einer Hafenrundfahrt das herrlich sonnig-kalte Wetter; wir staunen über die alten und neuen Häuser der Speicherstadt und fühlen uns fast wie in Venedig. Noch im Hafen gönnen wir uns die leckersten Fischbrötchen, die wir seit langem gegessen haben, bevor wir zu einer kleinen Mittagsruhe im Hotel aufbrechen. Carsten möchte sich vor dem Theaterbesuch ein wenig entspannen. Dafür habe ich nicht nur wegen seiner zwar heilenden, aber sich immer noch bemerkbar machenden Bandscheibe großes Verständnis, sondern auch, weil ein wichtiger Abend vor uns liegt. Carsten ist sicher ganz kribbelig vor Aufregung. So einen Heiratsantrag macht man ja nicht alle Tage. Die Mittagsruhe ist eine gute Gelegenheit, um zu vermeiden, dass am späteren Abend Müdigkeitsattacken den Sex verhindern könnten, aber auch um Carsten den letzten eventuell vorhandenen Zweifel an seiner Entscheidung, mich zu heiraten, zu nehmen! Ich stimme ihm freudig erregt zu.
Nachdem ich, zurück im Hotel, geduscht habe, betrete ich in Mieder und halterlosen Strümpfen das mit Vorhängen verdunkelte Hotelzimmer. Carsten liegt mit geschlossenen Augen, ohne Zudecke und nur mit einem Slip bekleidet auf dem breiten Bett. Ich entzünde die mitgebrachten Teelichter auf dem Nachttisch und lege mich vorsichtig neben meinen Geliebten. Der schlägt die Augen auf, erfasst im Bruchteil einer Sekunde die Situation und grinst lüstern.
»Was für eine schöne Idee!«, sagt er, hebt vorsichtig, sich auf dem rechten Arm abstützend, seinen Oberkörper und spitzt die Lippen. Ich küsse ihn schmatzend.
»Und jetzt? Wird es denn gehen?«, frage ich. Es ist mindestens schon fünf Wochen her, seit wir das letzte Mal miteinander bäuchelten, was sich durchaus in der Heftigkeit meiner körperlichen Reaktion bemerkbar macht.
Ich beuge mich über ihn und pule liebevoll in seinem Nabel nach den Fusseln, die sich darin immer verstecken. Ich hatte noch nie Fusseln im Bauchnabel. Ist wahrscheinlich ein rein männliches Phänomen. Carsten missfällt diese unerotische Aktion. Er hält meine Hand fest und zwingt mich, ihm in die Augen zu schauen.
»Wenn du so weiter machst, können wir nie ausprobieren, ob es wieder geht. Vielleicht solltest du erst einmal an den unverletzten Stellen in der Mitte meines Körpers handeln!«
»Da gibt es aber nicht mehr viel zu tun, Schatz!«
Schatz nickt, sichtlich stolz geschwellt. Bei dem Versuch, mich auf ihn zu legen, stöhnt er laut auf.
»Warte, ich muss mich anders hinlegen. Hilf mir mal!«
Unter seinen Anweisungen staple ich die Kissen, um seinen Oberkörper zu erhöhen, stütze ihn rechts und links mit den Federbetten ab und versuche, mich ganz behutsam unter Küssen und mit sanftem Streicheln aller unversehrten Körperregionen in Stellung zu bringen.
»Wie erregend ist das denn!«, flüstert mir mein plötzlich hormonell Schmerzbefreiter ins Ohr. Die nächsten Minuten kann ich nur fühlen und genießen: heftig und schnell, aber schön! Trotzdem bleibt nicht viel Zeit zum Nachkuscheln. Wir müssen los. Ich ziehe mir ein schickes rotes Kleid an und schminke mich. Ich gebe mir, um Carsten zu gefallen, besonders viel Mühe und fixiere mein Restaurationswerk mit einem Pinsel. Heute wäre meine Mama sicher zufrieden mit mir und meinem Leben, steht doch Carstens Heiratsantrag unmittelbar bevor.
Nachts auf der Reeperbahn
Wir erreichen die Neue Flora pünktlich mit dem Taxi und drängeln uns mit Hunderten anderer Vergnügungswilliger in den großen Saal. Allein: Der Wille zum Vergnügen reicht nicht.
Zum Glück haben wir am Nachmittag sonnige Impressionen und Harmonie getankt, denn das Musical »Dirty Dancing«, das von junger Liebe und großen Gefühlen handelt, löst sogar bei mir, dem Musicalfreak, gegenteilige Empfindungen aus. Zum Glück habe ich keine Zeit, mich über die Inszenierung aufzuregen, bei der die Hauptdarsteller nicht singen dürfen oder können, aber gleichzeitig, weil es der Inhalt so verlangt, erst am Ende richtig tanzen und vorher nur albern rumhopsen. Ich muss Carsten trösten, der sich ärgert, so viel Geld ausgegeben zu haben, ohne wenigstens einem von uns beiden einen künstlerischen Genuss bieten zu können. Nach der ersten, von einigen Enthusiasten herbeigeklatschten Zugabe verlassen wir fluchtartig den Saal und suchen uns eine kleine Bar zwischen Neuer Flora und Reeperbahn. Auf einem gemütlichen Sofa in der hintersten Ecke des in rotes
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