Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
Vom Netzwerk:
bald heiraten kann. Carsten liegt jetzt still und entspannt. Nach zwanzig Minuten Behandlung wird noch mal die Oberschenkel-Handrück-Nummer vom Anfang wiederholt, dann ist er fertig.
    »Brubbel, Schnürsenkel, mhm zeigen!«, fordert er Carsten auf.
    »Na ja, das kann ich eben nicht. Ich komme einfach nicht mehr an meine Füße ran. Gucken Sie, wenn ich so mache …«, Carsten will demonstrieren, wie eingeschränkt er in seinen Bewegungen ist, schiebt die Füße in seine Sportschuhe und bückt sich, »… komme ich nicht ra… ich komme ran!« Ungläubig bindet sich mein eben noch unbeweglicher Pflegefall beide Schuhe zu. Wir sind fassungslos. Dankbar lächelnd, und jetzt sind wir es, die verwirrt brubbeln, verabschieden wir uns von unserem Wunderheiler.
    Auf dem Heimweg streichelt mich Carsten mit der linken Hand.
    »Vielen Dank, meine Süße, du hast mich gerettet!«
    »Nicht dafür! Das ist doch selbstverständlich, wenn man sich liebt!«
    Ich fühle mich großartig. Nicht weil ich die richtige Idee hatte, sondern weil meine Krankenschwesternkarriere bald wieder beendet sein wird. Noch ein paar Tage, und mein Carsten wird wieder der Alte sein. Ich summe auf dem Nachhauseweg glücklich vor mich hin und träume von Hamburg und einer traumhaften Hochzeit ohne Rollstuhl, dafür mit Sex.

Hunde, die beißen, bellen nicht
    Seit Carstens Spontan-Genesung schwirren mir lauter neue Fragen im Kopf herum: Wann wird mein Erdmännchen wieder zu sexuellen Handlungen in der Lage sein? Und wie schlimm ist es für ihn, dass wir so lange keinen Sex mehr miteinander hatten? Denn seit wir vor ein paar Wochen meinen Psychologen Pawel getroffen haben, bin ich total verunsichert, wie oft Männer in unserem Alter wollen und müssen. Ich hatte Pawel fast zehn Jahre nicht gesehen, als mich vor dem Thalia-Kino ein am Fahrrad hantierender Mann mit Brille und sparsamem, blondem Haarwuchs angrinste: »Challo, Tatjana! Wie gehtt’s?«
    Die Stimme und der Akzent – das konnte nur Pawel, mein Psycho-Papst, sein.
    »Hey Pawel, das ist Carsten, mein Liebster. Wie geht es dir? Was machen die Frauen?«, freute ich mich, ihn zu sehen.
    »Och gutt! Ich habbe eine Frrreundin. Wir vögeln viel!«
    Pawel guckte bei dieser Äußerung sehr ernst. Ich war verunsichert: Er scherzte nicht! Ich staunte nicht nur, dass er so unverblümt vor dem ihm fremden Carsten so etwas sagte, sondern auch, dass ihm diese Mitteilung so wichtig war, sie mir bei unserem ersten Wiedersehen nach so langer Zeit sofort mitzuteilen. Leicht verschreckt und deswegen etwas zu laut lachend erwiderte ich darauf: »Pawel, in deinem Alter? Wirst du nicht ruhiger?«
    Humor ist die Höflichkeit der Verzweiflung. Mir fiel einfach nichts Besseres ein. Pawel schaute streng, mit fast unbeweglichem Gesicht über seine Brillengläser und sagte dann leichthin: »Entschuldige bitte, ich bin doch errrst 46!«
    Bei der Erinnerung an diese Begegnung frage ich mich, ob Hunde, die bellen, auch wirklich beißen oder nur den »Macker« geben, und warum es für die meisten Menschen so bedeutsam ist ihre Potenz zu kommunizieren. Carsten bellt nicht so oft. Ich aber auch nicht.
    Mit frisch gebrühtem Tee und Wurstschnittchen bewaffnet, verlasse ich meine Wohnung und Chica, um dem geschröpften und frisch ostheopatisierten Carsten Gesellschaft zu leisten und die sexuelle Frage ein für alle Mal zu klären. Er sitzt im Wohnzimmer vor unserem großen Plasmafernseher und schaut eine amerikanische Comedyserie. Als er mich sieht, bewegt er sich vorsichtig aus der horizontalen in eine sitzende Position. Ich stelle sein Abendessen auf den schwarzen Holzwürfeltisch, dessen Platte ich persönlich lackiert habe.
    »Na, mein Krankes, wie geht’s?«, frage ich ihn.
    »Mhm! Ganz gut«, brubbelt mein heißhungriges Erdmännchen. »Aber danke!«
    »Hast du einen Bürostuhl bestellt?«
    »Mhm. Ich gucke gerade fernsehen. Ist ganz lustig«, brummt Carsten. Ich setze mich in »meine« Sofaecke und versuche, mich auf den für mich eher flachen und männertypischen Humor zu konzentrieren.
    Der Hauptdarsteller, ein altersloser, permanent kurzbehoster Mann reißt eine Blondine nach der anderen auf. Über dieses, sich in jeder Folge wiederholende Klischee können Männer lachen. Ich nicht. Vor allem will ich mich jetzt unterhalten. Über Sex.
    »Duhu, Süßer, Ronny hat kürzlich mal erwähnt, dass Sex im Alter weniger wichtig wird!«
    »Wie spannend. Demnächst ruft er dich an, um dir mitzuteilen, dass der Papst katholisch

Weitere Kostenlose Bücher