Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Licht getauchten Raumes sitzen wir eng beieinander, trinken Wein, und Carsten erinnert uns an unser Kennenlernen, was ich sofort als Vorspiel zu seinem Heiratsantrag werte.
»Wir sind etwas ganz Besonderes. Ich bin glücklich, dass wir uns gefunden haben!« Carsten hält mir sein Weinglas entgegen. Wir stoßen an. Auf uns, auf die Liebe und das Internet, ohne das wir uns nie begegnet wären. Ich schiele fast vor verliebter Aufregung. Mein Bauch kribbelt, mein Darm rumort. Ich schaue Carsten an, der vorsichtig an seinem Weinglas nippt, und denke daran, wie begeistert ich von seinem Foto war, das er auf seinem Profil eingestellt hatte. Darauf trug er noch kurze Haare und schaute, die Sonnenbrille auf den Kopf geschoben, ziemlich cool, aber trotzdem verschmitzt in die Kamera. Ihm musste es ähnlich gegangen sein, als er mein Foto sah, sonst hätte er mir sicher nicht sofort eine Mail geschickt.
Mir kommt wieder der unglaubliche Zufall in den Sinn, über den wir bis heute lachen müssen. Unabhängig voneinander hatten wir beide auf unser Profil, unsere virtuelle Heiratsannonce, jeweils ein Foto gestellt, bei dem die zweite Person abgeschnitten war: Udo Lindenberg. Carstens Foto war auf der Rambla in Barcelona aufgenommen, wo er plötzlich Udo Lindenberg erkannt und um ein gemeinsames Foto gebeten hatte. Ich war auf der »José-Carreras-Gala« in Leipzig und saß an einem Tisch, als Udo hinter mir vorbeiging und ich mein Jugendidol am Ärmel festhielt: »Du, Udo«, sagte ich zu ihm, »einmal anfassen und dann sterben!«
»Du brauchst doch nicht gleich zu sterben!«, nuschelte mein auch im dunklen Partylicht sonnenbebrillter Lieblingsstar. Diese wohlwollende Lindenbergsche Erwiderung machte mir Mut, um ein gemeinsames Foto zu bitten.
Carsten und ich haben diese Geschichte unserer abgeschnittenen Udo-Bilder schon Tausende Male erzählt, weil dieser fantastische Zufall ein eindeutiges Zeichen unserer Seelenverwandtschaft ist. Auch an diesem schönen Abend in Hamburg kann ich nicht anders.
»Weißt du, Süßer, ich bin so froh, dass mich der abgeschnittene Udo Lindenberg letztendlich zu dir geführt hat, ist doch verrückt, oder?«
»Nicht ganz so außergewöhnlich, aber schicksalhaft finde ich auch den Tatbestand, dass wir schon als Kinder einander räumlich ganz nah waren«, antwortet Carsten. Erstaunlicherweise haben wir unsere Kindheit zu großen Teilen nur wenige Kilometer voneinander entfernt bei unseren Großeltern in Allstedt bzw. Rotheschirmbach verbracht. Ich strahle meinen Schicksalsgefährten an: »Das ist jedes Mal wieder erstaunlich. Sind wir eigentlich wunderlich, wenn wir uns immer noch darüber freuen?«
»Nein, aber schwer verliebt«, antwortet Carsten und gibt mir einen Kuss auf meine ebenmäßige Stirn. Sofort klopft mein schlechtes »Pfeiffer-Plönsgen-Gewissen« an. Ich habe Carsten immer noch nicht gebeichtet, warum meine Stirn so glatt ist. Ich sitze hier, bin mir sicher, dass er mir heute noch einen Heiratsantrag machen wird, und bin nicht ehrlich zu ihm. Warum? Habe ich Angst vor seiner Enttäuschung, oder schäme ich mich meiner Eitelkeit? Ich trinke einen großen Schluck Wein und ringe mit mir und meinem Drang nach Wahrheit. Carsten bemerkt meine plötzliche Unruhe und schaut mich erwartungsvoll an.
»Was ist los? Warum zappelst du so?«
Ich atme einmal tief durch und denke schneller, als ich sprechen kann.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll. Abwarten oder lieber ehrlich sein.«
»Hä? Ich verstehe nicht, was du mir damit sagen willst!« Carsten glaubt wahrscheinlich, ich sei betrunken oder krank. Er greift mir belustigt an die Stirn. Schon wieder aufs Schlimme.
»Ich …«
»Ja?«
»Ich war beim Botox-Spritzen!«
Jetzt ist es raus. Carsten guckt irritiert, ich rede schnell weiter: »Ich weiß, du magst das nicht. Es ist gefährlich. Aber …«Jetzt braut sich etwas ganz Schlimmes zusammen. Ich kann es an Carstens Mimik erkennen und sinke in meiner Ecke des Barsofas in mich zusammen.
»Wahrscheinlich wussten es mal wieder alle deine Freundinnen, nur ich nicht!«
Jetzt bin ich überrascht, dass mein Traummann so einen normalen Männersatz erwidert. Natürlich wissen meine Freundinnen darüber Bescheid. Das ist doch normal. Dass Carsten diese Selbstverständlichkeit enger Frauenfreundschaft anprangert, wundert mich sehr. Ich hatte mit wüsten Beschimpfungen wegen der Gefahr durch Nervengift gerechnet, aber nicht damit, dass er sich in erster Linie ausgeschlossen fühlt.
»Ich
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