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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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was er schon lange fühlte, von Sprachlosigkeit und seinem Unwohlsein, noch Zeit mit ihr verbringen zu müssen. Obwohl er wusste, dass es keine Zukunft für sie beide gab, hatte er viel zu lange gewartet, es ihr zu sagen und die Konsequenzen daraus zu ziehen.
    Ich erinnere mich, dass ich von dieser Schilderung plötzlich so berührt war, dass ich nichts mehr sagen konnte. Meine Augen füllten sich mit Tränen, nicht weil mich seine Seelenqual und das Offenlegen seiner Emotionen so beeindruckt hatten, sondern weil ich Angst hatte. Die Angst nämlich, diejenige zu sein, die an eine lange Beziehung glaubt und mit einem Mann zusammenlebt, der eigentlich nur noch eins will: weg! Das hatte ich bereits mit Ingo erlebt und wollte nie wieder so böse überrascht werden.
    Ich weiß noch, dass Carsten damals erwartete, dass ich etwas zu seinen Texten sagen würde, aus rein künstlerischer Sicht. Aber ich hatte einen Kloß im Hals, konnte nicht sprechen. Wegen der mich überflutenden Verlustängste? Resultierte aus ihnen mein Heiratswahn, und wenn ja, würde ich diese unterbewussten Denkstrukturen auch umprogrammieren können? Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich spüre, dass ich schon ganz nah an der Lösung all meiner Probleme bin.
    ***
    Am nächsten Tag habe ich einen Termin bei meiner Frauenärztin. Frau Doktor wirkt durch ihre im Knoten zusammengebundenen schwarzen Haare und den obligatorischen weißen Kittel auf den ersten Blick ein wenig streng, ist es aber nicht. Sie nimmt sich immer Zeit, und ich kann sie auch mit allen Fragen außerhalb des Themas Frauenkrankheiten belästigen. Als ich ihr an ihrem Schreibtisch gegenübersitze und sie mich nach meinem Befinden fragt, will ich von ihr wissen: »Frau Doktor, ich beschäftige mich gerade mit der Mitte des Lebens. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, was bedrückt Ihre Patientinnen am meisten, wenn sie älter werden? Ist es die nachlassende Libido? Der körperliche Verfall? Gibt es überhaupt typische körperliche und seelische Veränderungen in unserem Alter?«
    Frau Ziesche zieht ihre Lesebrille auf die Nasenspitze. Noch während sie scheinbar nachdenkt, antwortet sie bedächtig.
    »Ich glaube nicht, dass es die Libido und das Alter sind, die Vierzig- bis Fünfzigjährige besonders belasten. Ich habe eher den Eindruck, dass es die Endlichkeit des Lebens ist, die uns plötzlich bewusst wird. Als wir jung waren, haben wir doch bei allen Vorhaben gedacht, dass dafür alle Zeit der Welt bliebe und jetzt … jetzt wissen wir, dass wir uns beeilen müssen, um unsere Träume zu realisieren!«
    »Sie meinen also, wir Mittlebensmenschen begreifen erst jetzt, dass wir sterben müssen, und haben Angst davor, trotz unserer stetig steigenden Lebenserwartung?«
    »Die Gespräche mit meinen Patienten haben meine Auffassung sogar noch bestärkt. Viele horchen in ihren Körper hinein und werten jede Blähung als ernstes Krankheitszeichen. Manchmal habe ich den Eindruck, die gestiegene Lebenserwartung nutzen einige Menschen ausschließlich zum Jammern über ihre Krankheiten und Gebrechen!«
    Ich bin beeindruckt. So habe ich es noch nicht gesehen. Tatsächlich habe auch ich meinen Fokus ausschließlich auf alles gerichtet, was mir meine Endlichkeit bestätigte. Wohl oder übel muss ich mir eingestehen, dass ich mich in den letzten Wochen und Monaten in den Chor der jammervoll Klagenden meiner Altersgruppe in väterlicher Gründlichkeit und mit mütterlicher Disziplin eingereiht habe.
    Super! Was nun?

Loslassen mit Sekundenkleber an den Fingern
    Es ist Nachmittag, und ich sitze grübelnd neben der lautstark schnarchenden Chica auf meiner Küchencouch und trinke einen Milchkaffee. Ich nebele gerade die Küche mit meiner Zigarette ein, als sich auf einmal ganz plötzlich der Nebel in meinem Kopf lichtet.
    Ohne dass ich etwas dafür tun muss, sortieren sich alle kleinen und großen, bisher immer wild durcheinander wirbelnden Erkenntnisse in meinem Kopf. Das ist wahrscheinlich wie bei der Gartenarbeit und den Rosen. Wenn man oder besser frau eine Rose düngt, gießt und harkt, heißt das nicht, dass sich die Knospe aufgrund der Fürsorge spontan öffnet. Das dauert manchmal mehrere Wochen. Und eines Tages springt die Knospe auf und entfaltet sich zur duftenden Rosenblüte. Genauso scheint es sich mit meinen wirren Gedanken und scheinbar unfruchtbaren Gesprächen zu verhalten: Nach Tagen oder Wochen, in denen das Gehirn alles sortiert und aufgenommen hat, hat man das Resultat dieses

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