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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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Leider geraten dabei die Steinplatten ins Rutschen und krachen gegen das vor dem geheimnisvollen Wohnwagen aufgebaute Dreibein-Stativ, das seinerseits mit einem metallenen Scheppern umkippt. Ein dickes schwarzes Kabel hängt schlapp vom Wohnwagen herunter und die Sat-Schüssel liegt umgedreht auf dem Asphalt wie ein vom Himmel gefallener Riesen-Wok.
    Der Typ mit dem Landcruiser hat nichts mitbekommen und ist weitergedüst. Und noch bevor ich von Herzen »Scheiße« sagen kann, kommt ein kleiner, drahtiger Mann um den Wohnwagen herum geschossen. Er ist etwa 65 Jahre alt und sein Kopf dermaßen hochrot, dass seine Halbglatze unter der Straßenlaterne leuchtet.
    »Ja sind Sie denn bescheuert!?« Er sieht sich kurz das Desaster an, hinter ihm sind jetzt noch ein paar Männer und Frauen seines Alters nachgekommen – offenbar seine Gäste, die er zum Fußballgucken eingeladen hat. Und wenn eines schlimmer ist als Fußball mit warmem Dosenbier, dann ist es Fußball ohne Sat-Empfang. Ich verstehe den Ärger.
    Ein Mann vom Format Napoleons im khakifarbenen Hemd und passenden Shorts, wie ein Großwildjäger auf Safari, und immer noch mit knallroter Birne. Hoffentlich hat er seine Flinte nicht dabei. »Sie!«, brüllt er und sticht seinen Zeigefinger in meine Richtung. »Sie! Das wird Ihnen noch leidtun!«
    »Es tut mir doch jetzt schon leid, ehrlich.« Ich fühle, wie ich allmählich auf Augenhöhe des aufgebrachten Herrn zusammenschrumpfe. »War wirklich keine Absicht. Sorry. Ist irgendwas kaputtgegangen? Ich ersetz das.«
    »Wie soll ich das wissen, ob irgendwas kaputt ist? Sie haben ja alles abgerissen, Sie Idiot!«
    Immerhin Sie Idiot. Den ganzen Tag lang hat mich jeder sofort geduzt wie eine Tiroler Supermarkt-Kassiererin. Umso erstaunlicher, dass der Herr hier selbst in seinem Furor noch recht förmlich bleibt. Von den Schimpfworten einmal abgesehen. Er betrachtet die verbliebene Steinplatte auf der Sackkarre. Er kneift die Augen zu Schlitzen zusammen, inquisitorischer Blick: »Was machen Sie überhaupt mit den Platten?«
    »Ich? Öh, ach, nix weiter. Wir legen nur einen kleinen Steingarten auf unserer Parzelle an, wissen Sie?« Seinen Blick spürend, lade ich die beiden Platten auf die Karre zurück: »Also, wenn Sie wollen, dann helfe ich Ihnen gern beim Wiederaufbau.«
    Okay, Ironie ist nicht seine Sache. Er sagt: »Ach, verschwinden Sie einfach!«, und dreht sich zu seinen sprachlosen Gästen um. »Das wird Ihnen noch leidtun. Merken Sie sich meine Worte!! Leidtun!!«
    Mit der linken Hand halte ich die Steinplatten fest, mit der rechten schiebe ich die Karre, gebückt wie der Glöckner von Notre-Dame, weiter zu unserem Wohnwagen. Aus einem der Vorzelte höre ich Jubel. Das war wohl das 1 : 0.

Quattro
    »Buon giorno, signore e signori! Buon giorno, buon giorno!!!« Wer auch immer da gerade völlig entsichert ins Mikro brüllt – seine morgendliche Spitzenlaune bringt beinahe die Lautsprecher zum Platzen, die auf dem ganzen Campingplatz alle zwanzig Meter in den Bäumen hängen. Dann ertönen die ersten Takte von »Final Countdown«.
    Es folgt eine Ansage, die so markerschütternd verzerrt ist, dass man weder auf Italienisch noch auf Deutsch ein Wort versteht. Am Ende der Durchsage schreit er noch mal ein langgezogenes »Chu Chu uaaaah!«. Offenbar die Frohsinnsversion von over and out . Und wer immer noch seinen Ramazzotti-Kater ausschlafen muss, ist jetzt endgültig wach.
    Ich habe gepennt wie ein Stein, trotzdem tut mir irgendwie jeder einzelne Knochen weh. Ob das von der Sandschlepperei beim Einebnen des Platzes kommt? Ich strecke mich und lasse den Kopf kreisen, um meinen steifen Nacken zu lockern. Dann stoße ich die abgewinkelten Ellbogen vor und zurück und versuche, meinen schmerzenden Rücken durchzudrücken. Klar, so ein Wohnwagen ist nicht gerade das Ritz-Carlton, aber ein bisschen erholsamer hatte ich mir meinen Schlaf dann doch vorgestellt.
    »Sag mal, hatte dein Vater nicht erzählt, dass er nagelneue Latex-Matratzen eingebaut hat? Ich bin total verspannt«, sage ich zu Lena, die bei dem Lautsprecherterror vorhin ziemlich abrupt hochgeschreckt ist.
    »Wie wär’s mit einem ›Guten Morgen‹ statt Gejammer?«
    Ich drücke ihr einen versöhnlichen Kuss auf die Lippen.
    »Affenhitze ist das hier drin«, stöhnt sie und klettert oben ohne über mich drüber, um das Fenster zu öffnen. Draußen knallt die Sonne. In der Zona Dragone geht es schon geschäftiger zu als auf dem Basar von Bagdad. Ein Mann in

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