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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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steckte ein Samurai-Schwert in meinen Eingeweiden. Ich weiß, ich darf hier drin nicht pinkeln, darf nicht pinkeln, darf nicht pinkeln. Ich versuche einzuschlafen, aber die Karussellfahrt in meinem Kopf hält mich wach.
    Irgendwann stehe ich leise auf, ziehe mir eine Hose und ein T-Shirt über. So schleiche ich ins Vorzelt hinaus und suche polternd meine Badeschlappen. Der Blasendruck wird heftiger, drängender, und bis zum Toilettenhäuschen, so viel ist klar, schaffe ich’s garantiert nicht mehr. Am Ende unseres kleinen Teerweges ist eine Grotte, in der ich mich kurz erleichtere. Wobei Erleichterung definitiv das falsche Wort ist. Immer noch dreht sich alles, ich muss würgen, so lange, bis ich mich an Ort und Stelle abrupt übergebe.
    Meine Kehle brennt bestialisch von der Magensäure, die meinen Körper durchflutet hat wie ein Tsunami. Und ich glaube, Galle riechen zu können – als ich plötzlich im Kegel einer Taschenlampe stehe, die drohend von hinten auf mich gerichtet ist. Es ist das klassische Grenzpatrouillen-Szenario.
    »Hey Sie! Was machen Sie da?«, brüllt eine erboste Männerstimme hinter mir. Eine Stimme und ein Tonfall, die mir nur allzu vertraut sind.

Sei
    Lena fegt das Vorzelt aus. Seit unserer Ankunft bestimmt zum achten Mal. So wie sie bei uns daheim mit ihren Handys verwachsen zu sein scheint, hat sie hier in einem Besenstiel die passende Alternative gefunden. Vorhin hat sie schon mit so einem Tischstaubsauger den Teppichboden im Wohnwagen gesäubert. Dabei halte ich mich seit dem ersten Tag sklavisch an das erste Gebot des Campers: Schuhe aus!
    Ich suche den Kühlschrank nach einer kalten Flasche Wasser ab. Obwohl ich mir schon zweimal die Zähne geputzt habe, fühlen sich meine Schleimhäute immer noch so an, als hätte ich einen Hamster gefrühstückt.
    »Gehst du mal auf die Seite?« Lena stößt mit dem Feger gegen meine nackten Füße. »Nein, nicht da hin, da hab ich doch gerade erst sauber gemacht! Mann!«
    »Können wir heute mal nach Italien fahren?«, frage ich resigniert.
    Um ehrlich zu sein, schlägt mir diese Deutschtümelei schon nach ein paar Tagen brutal aufs Gemüt. Die Flaggen, der bekloppte Bürgermeister und im einzigen Restaurant ein tanzender Tintenfisch – keine Ahnung, wie ich das noch zweieinhalb Wochen aushalten soll. Ich fühle mich wie E. T.: auf einem fremden Planeten gelandet. Und obwohl ich mein Handy bei mir trage, keine Chance, nach Hause zu telefonieren.
    Nach dem Vorfall gestern Nacht hat Lena am Ende einer überraschend konstruktiven Diskussion der Option zugestimmt, dass ich nun doch unser Badezimmer benutzen darf. So richtig mit Zähne putzen und Pipi machen. Ich musste ihr nur versprechen, dass ich alle drei Tage das Bad putze, den Frischwassertank wieder auffülle und den Abwassertank entleere. Was auch immer sie damit meinte.
    Während meiner Beichte hat sie nur ungläubig den Kopf geschüttelt und die Hände vors Gesicht geschlagen. Dass mich der Bürgermeister in finsterster Gestapo-Manier noch am Tatort einem brutalen Verhör unterzog und mich dabei mit der Taschenlampe blendete, fand sie zwar auch komplett daneben. Aber meine Vermutung, dass er mir aufgelauert habe, hält sie für reichlich übertrieben. Ich glaube, sie macht sich nur ernsthafte Sorgen, dass ich den Ruf ihrer Familie nachhaltig beschädigen könnte.
    »Was meinst du damit – nach Italien fahren?«
    »Hoch ins Dorf halt. Cappuccino trinken, pizza al taglio essen, speckige Toiletten benutzen. Solche Sachen.« Wir würden im Straßencafé abhängen, ich mit der Gazetta dello Sport . Auch wenn ich maximal die Hälfte verstehen könnte.
    »Klar können wir das machen. Aber erst gehst du spülen. Ich darf ja nicht – wegen der Sonne.« Sie spitzt spöttisch ihren Mund.
    Die Spülbecken ziehen sich in einer langen Reihe von den Duschen bis hinüber zu jenem Toilettenhäuschen, das ich in der letzten Nacht nicht mehr so ganz erreicht habe. Weiße Keramikbecken mit Ablageflächen, die gerippt sind wie ein Waschbrett. Wahrscheinlich ist es sogar eines. Wär doch ganz praktisch für alle, die, statt stundenlang vor der einzigen Miele-Maschine zu warten, ihre Klamotten lieber per Hand waschen.
    Als ich am Damen-WC vorbeischlurfe, sehe ich Bürgermeisterfrau Susanne gerade mit einer Flasche Frosch-Reiniger in der Hand auf die bedauernswerte Rosella einquatschen. Gott sei Dank hat sie mich nicht bemerkt.
    »Du nehme das hier. Verstanden? Ist nix giftig so wie deine Putzmittel. Capito?« Die

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