Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
alle mit Palmwedeln am Wegesrand stehen. Stattdessen liegen die beiden Neuankömmlinge sofort halbnackten Rentnern im Arm, bis Herbert plötzlich zusammenzuckt, als habe ihn ein Blitz durchfahren. Er krümmt sich und greift sich mit beiden Armen an den Bauch.
»Meinem Alterchen geht’s leider nicht so gut«, sagt Ute, während Herbert schmerzgebeugt mit seiner Papierrolle geradewegs zur Toilette eilt. »Irgendwas hat er am Magen, schon seit zwei Tagen.« Und es muss so furchtbar gewesen sein, dass er sogar unterwegs die Bordtoilette benutzen durfte, erzählt seine Frau.
Lena unterhält sich zu meiner Verblüffung einen Smalltalk-Moment mit Sagrotan-Susi, während Willi ein paar Flaschen Reisdorf-Kölsch an die Umherstehenden verteilt. »Der Charisma«, stöhnt Willi ehrfürchtig. Ich glaube, er hatte den Modellnamen schon mal in Verbindung mit Herbert erwähnt. Die meisten Männer treten jetzt einige Schritte zurück, um dieses Kreuzfahrtschiff unter den Wohnmobilen angemessen betrachten und würdigen zu können. Die Lippen aufeinandergepresst und nach vorn geschoben, nicken sie anerkennend.
Herbert parkt in der dritten Reihe, sozusagen der Opernbalkon des Campingplatzes. Und jetzt verstehe ich auch, warum sie hier keine Trennhecken angepflanzt haben. Herbert und Ute belegen im Prinzip eineinhalb Stellplätze. Und wie ich die geschäftsfreudigen Italiener inzwischen kennengelernt habe, bin ich mir sicher, dass Massimo ihnen auch die entsprechende Standgebühr dafür abnimmt.
So wie Ute das schildert, hat das Drama begonnen, als die beiden irgendwo auf der A8 zwischen München und dem Inntal-Dreieck von der Polizei rausgewunken und auf eine Lkw-Waage gestellt wurden. Jetzt muss man wissen, dass ihr Wohnmobil nur bis zu einem Gewicht unterhalb 7,5 Tonnen zugelassen ist, weshalb man es eben mit einem alten Führerschein der Klasse III fahren darf. Dabei hat ihr Wagen ungefähr die Ausmaße eines regulären Linienbusses.
Der Verkäufer hatte sie damals gewarnt: Mit all den sagenhaften Extras, die Herbert in seinem niedlichen Wahn hatte einbauen lassen, bringt die Kiste ohnehin schon spielend sechseinhalb Tonnen auf die Waage, dazu kommt noch der 800 Kilo leichte Smart, der sich hydraulisch in die Garage im Heck des Wagens ziehen lässt. Na ja, und dann war es so, dass Herbert noch reichlich Proviant aufgeladen hatte, weil er das italienische Essen nicht so gut verträgt. Dabei machen sie schon seit einigen Jahrzehnten hier Urlaub. Ganze Paletten hatte er eingekauft: Bier und Dosen-Ravioli von Aldi.
»Ihr bringt Ravioli mit nach Italien?«, frage ich in bemüht neutralem Tonfall. Lena dreht sich weg, damit niemand sieht, dass sie gleich vor Lachen kollabiert.
»Was sollen wir denn machen? Die italienischen kann der Herbert doch nicht essen!«, sagt Ute.
Jedenfalls wogen sie bei der Kontrolle etwas mehr als 7,8 Tonnen. Sie standen am Rande der Autobahn neben einem bulgarischen Truck-Fahrer, der mit großer Mühe versuchte, die Widersprüche seines Fahrtenschreibers zu erklären. Und einmal im Razzia-Modus, wollten die grimmigen oberbayerischen Polizisten auch gleich Herberts Wohnmobil stilllegen. Ute war den Tränen nahe, bot aber nach einer Weile geistesgegenwärtig an, man könne im Zweifel ja auch ein wenig Gewicht reduzieren. Und so ließen sie zunächst gut hundert Liter aus dem Frischwassertank ab. Am Ende allerdings standen sie vor der schwierigsten Entscheidung ihres Urlaubs: Die Ravioli oder das gute Beck’s? »Das ist ja unverschämt teuer hier bei den Italienern«, sagt Ute.
Als guter Deutscher entschied sich Herbert natürlich dafür, das Bier an Bord zu behalten, wobei er letztlich noch zwei Paletten zurücklassen musste, ehe sie dann weiterfahren durften. Ein Strafmandat, hatten die Beamten gesagt, werde ihnen übrigens dennoch per Post zugehen.
Der Ravioli-Zwischenfall hat Herbert in seinem Zeitplan erheblich zurückgeworfen. Fast zwei Stunden wurden sie festgehalten.
»Aber mit dem Wohnmobil«, sagt Ute, »kannst du ja überall stehen bleiben.«
Als der Abend hereinbrach, beschlossen sie also, in einem kleinen Dorf kurz vor Trento in Südtirol Rast zu machen. In der Dunkelheit fanden sie einen schönen großen Platz gleich im ansonsten recht verwinkelten Zentrum, auf dem sich der Wagen auch gut rangieren ließ. Sie gingen prächtig essen, zumal die deftige Küche des Alto Adige der unsrigen durchaus wesensverwandt ist. Und in der urigen Dorfgaststube tröstete sich Herbert schließlich mit
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