Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
war eine Investmentbankerin, deren Blackberry normalerweise blinkte wie ein Leuchtturm in der Nacht. Sie hielt es sogar nur fünf Tage aus. Das Funkloch trieb sie in den Wahnsinn. Zum Abschied sagte sie nur: »Ich hab in den fünf Tagen wahrscheinlich mehr Kohle an der Börse verloren, als du in einem ganzen Jahr verdienen kannst.«
Wie viele deutsche Gäste kann sich Felix sehr ausdauernd damit beschäftigen, den Wohnwagen und das Vorzelt mit angespültem Strandgut zu dekorieren. Er bastelt auch gern mal den ganzen Tag Windmühlen aus PET-Flaschen und verkauft sie dann an Italiener, die staunend an seinem Stellplatz stehen bleiben. Ich kann schon ein bisschen verstehen, dass Frauen da andere Vorstellungen vom Urlaub haben.
Mit Lenas Freunden war es auch nicht viel besser gelaufen. Der eine bestand darauf, jede Nacht unter einem Moskitonetz zu verbringen. Und seine Phobie vor Ungeziefer aller Art brachte ihn so weit, sämtliche Vorräte an Ameisenpulver in Sepiana aufzukaufen. Das hat ihn endgültig diskreditiert.
Ein anderer hatte eine Petersilienallergie, war aber mit den lokalen Küchengebräuchen nicht so recht vertraut. Nachdem er einen gegrillten Tintenfisch gegessen hatte, bekam er einen fürchterlichen Ausschlag, was Lena zunächst noch großzügig ignorierte. Dann aber trat der arme Kerl im seichten Wasser auch noch in ein Petermännchen, ein Fisch mit heimtückisch giftigem Stachel. Das, hat Lena erzählt, passiert vielleicht zweimal im Jahr. Der Typ hatte einfach Pech. Sein Fuß schwoll sofort an. Bis er so groß war wie der von Samson aus der Sesamstraße.
Mit Frank, einem schneidigen Juristen, ist es schon erheblich besser gelaufen. Vorerst. Er hatte die Mountainbikes auf einem Fahrradträger mitgebracht und trieb Lena täglich sämtliche Serpentinen der Umgebung hinauf. Sie lernte Seiten des Gargano kennen, die sie in zwei Jahrzehnten vorher noch nie gesehen hatte. Allerdings bei 40 Grad im Schatten. Als Lena schließlich vorsichtig darauf hinwies, man könne doch auch mal am Strand liegen und schwimmen gehen, stieg er auf sein Rad und fuhr eben allein. Das ging ein paar Tage so, und am Anfang hat Lena noch überlegt, ob sie ihm einfach die Reifen zerstechen soll, um ihn im Grande Paradiso zu halten. Später wünschte sie nur noch sehnlichst, er möge lieber unterwegs einen Platten haben. Und zwar möglichst weit weg.
Je länger ich über diese Geschichten nachdenke, umso mulmiger wird mir. Vielleicht sollte ich die Tage mal den guten Ercole konsultieren und mir ein paar Tipps holen, was ein echter Italiener in meiner Situation machen würde, um seinen Status zu verbessern.
Als Herbert vorhin von einer Hausführung sprach, musste ich ja noch ein bisschen schmunzeln. Das Lachen ist mir jetzt gründlich vergangen. Sein Wohnmobil ist definitiv geräumiger als eine durchschnittliche Studentenbude und technisch auf dem Stand eines Raumschiffs. »Die Hubstützen kannst du mit dem iPhone steuern«, sagt Herbert, während er die Einstiegstufe zu Demonstrationszwecken automatisch ein- und dann wieder ausfahren lässt. Er zeigt auf die kleine Treppe: »Beleuchtet.« Sieht man in der Nachmittagssonne nur nicht.
Außenspiegel wie ein Reisebus. Und dass so ein Luxusmobil über eine Rückfahrkamera verfügen würde, war mir ja irgendwie klar – Herberts Charisma hat aber zwei. Und eine Frontkamera noch dazu. Beide bequem einzusehen von den beiden Pilotensitzen aus. Die heißen anscheinend wirklich so. Sie sind luftgefedert und beheizbar. Haben allerdings keine Schleudersitzfunktion.
Horst, Willi und ich lassen uns in der sogenannten Lounge in die Lederpolster fallen, die allerdings mit Handtüchern abgedeckt sind. Die beiden Rentner ein frisches Kölsch in der Hand. Unsere Frauen waren allesamt nicht mitgekommen, vermutlich finden sie dieses PS- und Technik-Gequatsche nicht nur uninteressant, sondern sogar peinlich.
Anstatt eines Autoradios hat das Wohnmobil ein Entertainmentsystem, das per UMTS oder WLAN über das Internet auf Wetter- und Stauprognosen zugreift und auch noch die E-Mails ausspuckt. Digitalradio und der Blue-Ray-Player sind eine Selbstverständlichkeit, dass aber außer hier vorne noch ein weiterer Flachbildschirm im Schlafraum hängt, war wiederum eines der Extras, für die Herbert ungefähr dreimal so viel bezahlt hatte wie mein Schwiegervater für seinen ganzen Wohnwagen.
»Und wie viele PS hat so ein Teil?«, frage ich.
»170 bei drei Litern Hubraum.«
»Und damit kommst du von der
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