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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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sagt Willi. Zum Glück hat er seinen Werkzeugkoffer noch draußen stehen.
    Wir rennen zu meinem Wohnwagen rüber. Herbert sieht uns von seinem Opernbalkon aus wie die aufgescheuchten Hühner über den Platz flitzen: »Was ist denn mit euch los?«
    »Scheiße«, rufe ich zurück. Das ist wohl Erklärung genug.
    »Wenigstens hast du das Fenster offen gelassen«, sagt Willi, als er keuchend vor unserem Wagen stehen bleibt. Er beugt sich ausatmend nach vorn wie ein Marathonläufer nach knapp 42 Kilometern.
    Durch das offene Fenster höre ich die Kaffeemaschine röcheln und spritzen. Die Milch ist garantiert auch längst übergelaufen.
    »Aber die Fenster stehen doch nur auf Kippe.«
    »Macht nix«, sagt Willi, »du kommst da durch. So ein Fenster gibt auch nach.«
    Er macht mit zusammengefalteten Händen eine Räuberleiter. Das habe ich nicht mehr gemacht, seit mir die ersten Schamhaare gewachsen sind. »So, Jung, jetzt rein mit dir!«
    Ich quetsche mich durch das halb geöffnete Fenster und purzele kopfüber auf unser Bett. Zumindest bin ich drin. Aber für den Kaffee kommt jede Hilfe zu spät. Die Küchenzeile ist in einem beachtlichen Radius großflächig mit Kaffeespritzern übersät, die angebrannte Milch stinkt widerlich. Es ist eine sagenhafte Sauerei.
    Inzwischen stehen auch Horst und Herbert vor dem Wohnwagen. Endlich wieder mal was los. Ich schalte die Herdplatten aus, an den Topf allerdings traue ich mich genauso wenig wie an den Kaffeekocher. Beide scheinen zu glühen.
    »Okay, Leute«, sage ich, »ich bin drin, aber wie zum Teufel komme ich wieder raus?«
    »Da ist so ein Haken an der Tür«, sagt Horst. »Musst du einfach nur runterdrücken.«
    »Ich sehe keinen Haken.«
    »Unter dem Schloss«, sagt Willi.
    »Das Schloss ist doch außen!«
    »Himmel«, schimpft Willi. »Mach mal das Fenster ganz auf. Ich komme rein.«
    Würde ich in diesem Moment nicht vor meinem geistigen Auge Lena dabei sehen, wie sie die Scheidungspapiere unterschreibt, wünschte ich, diesen Anblick von draußen erleben zu dürfen: der dicke Willi, wie er von Herbert und Horst für jeden Fuß eine eigene Räuberleiter bekommt. Sein Kopf ist schon im Wohnwagen drin, nur der Rest vom Willi baumelt noch halb in der Luft. Er keucht und stöhnt, weil er mit seinem Wanst im Fensterrahmen festklemmt. Oder zumindest hängt. Von draußen drückt der Horst gegen seinen Hintern, und Herbert versucht ihn bei den Füßen reinzuschieben. Und mit einem mächtigen Plumps landet Willi dann auch tatsächlich auf unserem Bett – genauer gesagt, schlägt er eher ein.
    »Leck mich am Arsch!«, mosert er, als er sich hochrappelt. Und schon wieder Schweiß-Fluss wie ein Tiroler Wasserfall nach der Schneeschmelze.
    Er stolpert zur Tür. »Das da! Das ist der Haken, den ich meinte!« Er drückt ihn runter und auf geht die Tür.
    Das ist doch kein Haken, denke ich, das ist ein Hebel. Aber ich sehe schon ein, dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt ist für derlei semantische Feinheiten.
    Horst und Herbert halten sich immer noch die Bäuche vor Lachen, als wir vier im Vorzelt stehen. Das haben die beiden allerdings exklusiv. Im Gegensatz zu heute Morgen, als Lena mit ihrem apulischen Surfer-Lümmel abgedampft ist, hoffe ich inzwischen, dass sie eine möglichst wunderbare Zeit miteinander haben. Und vor allem nicht so schnell wiederkommen.
    »Das Schloss muss raus, sonst kriegst du den Ersatzschlüssel nicht rein«, sagt Willi, der sich allmählich erholt hat. Er kramt einen Schraubenzieher aus seinem Werkzeugkasten. Zwei flinke Hände, und zehn Minuten später ist das Schloss tatsächlich draußen.
    Ich drücke meine Zigarette aus und bin beeindruckt: »Es gibt nur ein kleines Problem – ich habe keinen Ersatzschlüssel.«

Undici
    »Cooles T-Shirt«, sagt Ercole.
    Ich trage das neue Fake-Lacoste-Polo mit dem steilen Schwanz, als ich ins Pico Bello komme. Und setze erst mal meine Sonnenbrille ab. Erstaunlich finster hier drinnen. Ercole sitzt vor dem Fernseher und schaut eine dieser nachmittäglichen Gameshows, ein Italo-Klassiker: Showtreppe wie beim Schlagerfestival von San Remo, dazu eine blonde Assistentin mit ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmalen. Sie ist gekleidet, als komme sie gerade vom Strand.
    »Marco, du bist ja ganz, wie sagt ihr? Durch die Wind!«
    Ich erzähle ihm von meinem Malheur.
    »Porca la Madonna« , stöhnt Ercole. Und ich denke, mit Rücksicht auf die Heilige Jungfrau muss man das gar nicht erst übersetzen.
    Hinter mir lag ein

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