Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)
ich ihn immer noch fragend anschaue, erklärt Willi, das sei das aktuelle Programm eines Versandhauses für Campingartikel, irgendwo im Niemandsgebiet der Oberpfalz. Sozusagen der Ikea-Katalog für Männer mit Anhängerkupplung.
»Donnerwetter«, sage ich, »das ist mal ein authentischer Firmenname.«
»Wie meinst du das?«
»Na, Fritz Berger. Der kann campen!« Ich sage: »Wäre doch auch ein super Werbeslogan, findest du nicht?«
Willis Schweigen entnehme ich, dass er das anders sieht.
»Darf ich mal?« Ich nehme seinen Fritz-Berger-Katalog in die Hand. Er ist so dick wie die Bibel mit Altem und Neuem Testament und sollte wohl auch mindestens genauso ernst genommen werden.
Willi braucht offensichtlich eine Pause von der Plackerei. Ich zeige auf den Katalog. »Darf ich mir den mal ausleihen?«, frage ich, als ich gehe.
Am Strand laufen schwarze Verkäufer in bunten Gewändern herum. Lena hat mir erklärt, dass die Italiener sie früher nur verächtlich »Vu-Cumpra« nannten. Weil die Händler mit ihrem harten afrikanischen Akzent immer etwas nuschelten, das so viel wie »vuole comprare?« heißen sollte. Willst du kaufen? Inzwischen sprechen sie der Einfachheit halber Englisch. Zumal deutsche Urlauber zumeist eh kein Italienisch können.
Die meisten dieser Strandhändler werden auf abenteuerlichstem Weg von Nordafrika nach Lampedusa geflohen sein und sich dort aus den Flüchtlingslagern davongestohlen haben, als das noch möglich war.
Ich klettere das Mäuerchen runter, um mir ihr Angebot ein bisschen näher anzusehen. Die Männer verkaufen bunte Schals, Badehandtücher und Sonnenbrillen, die garantiert die Augen ruinieren. Im Prinzip ist es ein ähnliches Sortiment wie das ihrer Kollegen auf dem Corso.
Vor allem gibt’s bei ihnen auch diese wunderbar dilettantisch gefälschten Lacoste-Polos. Ich entscheide mich für eines in sattem Lila, dessen Krokodilschwanz wie ein Pfeil geradeaus in die Höhe zeigt. Und die 15 Euro, auf die ich den Verkäufer schließlich runterhandeln kann, sind ein durchaus angemessener Preis dafür, dass ich jetzt kleidungstechnisch zum Inner-Circle von Sepiana gehöre.
Das Mittag-Bierchen hat mich schon einigermaßen ermüdet, das muss ich zugeben, sosehr ich das auch trainiere. Höchste Zeit für einen Kaffee. Also noch mal: Gasflasche aufdrehen, Gasknopf am Herd drücken, Kamin-Feuerzeug dranhalten. Es passiert: gar nichts.
Im Inneren unseres Wohnwagens haben wir noch mal drei Herdplatten, die sind in die Kochzeile eingelassen und müssen einfach nur eingeschaltet werden. Schalter drehen, los geht’s. Wie alle echten oder auch nur Herzens-Italiener benutzen wir diese kleine Alukanne, die auf die Kochplatte gestellt wird.
Sie ist nach ihrem Erfinder Alfonso Bialetti benannt, der vor knapp achtzig Jahren als Erster eine Maschine entwickelt hat, mit der man daheim einen ähnlich guten Espresso zubereiten kann, wie man ihn aus der Bar seines Vertrauens kennt. Der Legende nach hat sein Sohn gleich nach dem Zweiten Weltkrieg ein Patent darauf angemeldet. Und weil er nur zu genau wusste, dass sich seine Landsleute um nichts weniger scheren als um geistiges Eigentum, stellte er die Imitate auch gleich selbst her.
Kaum habe ich die Milch angestellt, spüre ich, wie mein Magen drückt. Ich schnappe mir die Klopapierrolle und den Wohnwagenschlüssel. Lena hat mir ungefähr tausendmal eingeschärft, nie den Wohnwagen offen zu lassen. Niemals und für keine Sekunde. Also muss das jetzt ausnahmsweise mal schnell gehen. Ich stemme mich gegen die Tür, der Schlüssel klemmt. Drücke ein bisschen fester und drehe den Schlüssel noch etwas entschlossener um. Er bewegt sich. Das Schloss dummerweise nicht. Zu meinem Entsetzen halte ich nur noch den Kopf des Wohnwagenschlüssels in der Hand. Ich schreie: »Fuck!«
Mein Magen beruhigt sich augenblicklich, aber dafür schlägt mein Herz schneller als bei einem Radprofi kurz vor der Zielankunft in Alpe d’Huez.
»O Mann, ich hab’s verbockt«, sage ich, als ich bei Willi vor dem Vorzelt stehe. Er schreckt verdattert aus seinem bierseligen Mittagsschlaf hoch.
»Ich hab den Wohnwagenschlüssel abgebrochen, und drinnen kocht der Kaffee. Und die Milch.«
Willi schüttelt sich, während er sich hochrappelt. »Jetzt mal langsam, Jung.«
Ich erzähle, was passiert ist. »Warum machst du den Kaffee denn drinnen?«, fragt Willi.
»Das ist jetzt nicht der Punkt. Ich muss die beschissene Tür aufkriegen. Und zwar zacko!«
»Das ist ein Problem«,
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