Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
Vom Netzwerk:
informiert. Aber was hat ihnen das genützt?
    So viele verschiedene Leute, wie mir auf der Schönhauser in fünf Minuten entgegenkamen, hatte ich in Zehlendorf mein Lebtag nicht gesehen, alles Leute, die bestimmt nicht die CDU wählten. Die Penner in den Hausecken wählten gar nichts mehr, die verkauften nicht mal mehr Obdachlosenzeitungen. Sie waren ausverkauft. Einer saß mit dem Rücken an einem Pfeiler, Füße ausgestreckt, mit blauen und grünen Beulen an den Knöcheln, schwarzen Zehen und eingerissener Fußsohle. Ein Fall für » 70  % weniger Hornhaut in 21 Tagen«, und ich fragte mich, ob der Kerl schon unter die Rubrik »arme Sau« fiel, denn mein Alter sagte immer, er kaufe keine Obdachlosenzeitungen, lieber gäbe er mal einer richtig armen Sau ein paar Euro.
    Sandra schlurfte mit ihren Springerstiefeln über den Asphalt; ich wäre beinahe stehen geblieben, nur weil die Ampel noch rot war. Ich tapste mit meinen kanariengelben Flip-Flops hinter ihr her, durch den donnernden Verkehr. Mamma mia, das Leben war bunt! Und meine Klassenkameraden saßen jetzt in diesem Schwarz-Weiß-Bus und verpennten wahrscheinlich die ganze Fahrt, während mir ein Licht nach dem anderen aufging. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch nicht alles verdauen konnte.
    Dafür bin ich ja jetzt hier, in meiner Einraumwohnung, in Kreuzburg 36 , mit einem warmen Kieselstein in der Hand.

Z-Fisch mit Zitrone
    Die Wohnung war im dritten Stock. Dunkelrote Läufer im Treppenhaus, es roch nach demselben Zitrusreiniger, den unsere Putze immer benutzte. Caro schloss auf. Das Parkett glänzte.
    »Meine Alten kommen erst am Sonntag wieder«, sagte sie. »Wir können es also ruhig angehen lassen.«
    Caro hatte zwei Ringe in der Nase, blau umrandete Augen, als würde sie gerade von einem Boxkampf kommen. Die Haare zottelig und blond. Sie bat uns, die Schuhe auszuziehen, obwohl meine Füße dreckiger waren als die Flip-Flops. Wir gingen in einen großen Raum. Viele Fenster, viele Blumen, an den Wänden Bleistiftzeichnungen von Ellenbogen in verschiedenen Ebenen.
    »Ins Wohnzimmer kotzen is nich«, sagte Caro und guckte mich an. »Rumtaggen auch nich.« Glaubte sie etwa ernsthaft, ich würde hier die Wände vollkritzeln, oder was? Ich hob abwehrend die Hände.
    Neben einer schwarzen Ledergarnitur stand eine riesige gläserne Vase mit blau gefärbtem Wasser und einem Goldfisch. Der Fisch schwänzelte in der Vase von einer Wand zur anderen.
    Caro machte Musik an. White Stripes . Dann warf sie bunte Kissen ins Wohnzimmer, als wäre es Konfetti. Ich setzte mich auf ein blaues und schaute immer noch auf den Fisch. Vom Flur her Stimmen. Sandra II fragte, ob die anderen schon da wären, steckte sich eine Zigarette an und öffnete die Balkontür. Sie hatte ihr neues Kleid an. Es war mindestens vier Nummern zu groß, braungrün, algig. Andauernd rutschte ihr ein Träger von der tätowierten Schulter und legte ihren durchsichtigen BH -Träger frei. Auf dem Schlüsselbein kam ein Totenkopf zum Vorschein. Schade. Untätowierte Schnecken fand ich cooler. Aber ich wollte nicht so spießig sein und verlagerte meinen Blick von den Schultern in ihre Augen. Sie passten wunderbar zum Kleid. Trotzdem, ohne Totenkopf hätte sie besser ausgesehen.
    Mein Magen sagte: Mayday mayday, bitte melden!
    Ich antwortete nicht.
    Mayday mayday – ist da niemand?
    »Kann ich irgendwas helfen?«, fragte ich die Mädels, in der Hoffnung, dass sie ein riesiges Buffet auffuhren. Ich musste zu Hause auch den Tisch decken. Aber ich bekam keine Antwort. Dafür meldete sich mein Magen wieder. Frische Luft wehte ins Zimmer, Sommerluft, gemischt mit Abgasen und Bratenduft. Irgendwo da unten musste ein Dönerstand sein. Man sollte es nicht glauben, aber ich hätte schon wieder eins von den Scheißdingern verdrücken können.
    Plötzlich stiefelten drei Typen ins Wohnzimmer. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Das waren also die anderen? Sandra II stürzte sich auf die Jungs, küsste sie links, rechts und quietschte vor Vergnügen. Ohne ihre Springerstiefel benahm sie sich alles andere als cool. Ihre Füße waren weiß wie Blumenkohl und ihre Zehennägel schwarz wie Teer.
    »Hey, Holden!«, rief sie. »Komm, ich will dir meine Kumpels vorstellen.« Ich schaute von ihren Füßen auf ihre Kumpels. – Muss ich erwähnen, was der schönere Anblick war?
    Der eine hieß Bolt, der andere Norman und der dritte Saphir. Saphir hatte grüne Augen, dunkle Haut und schulterlange, glatte schwarze Haare.

Weitere Kostenlose Bücher