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Alles bestens

Alles bestens

Titel: Alles bestens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Doelling
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gegangen sind. Echt, Leute, es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als eine Hand in Mamas Hand und die andere in Papas zu legen und sich bei »drei« fliegen zu lassen. Sicher und geborgen, denn deine Eltern lassen dich niemals los … bis ich mir dabei das Radiusköpfchen ausgerenkt habe. Schaut in eurem Autoatlas nach, wo das Radiusköpfchen liegt, und fragt euren Arzt oder Apotheker, was es heißt, wenn man es sich auskugelt. Fragt mich, wenn ihr wissen wollt, wie weh das tut. Man sieht Sterne. Echte Sterne. Das ganze Sonnensystem flirrt an einem vorbei, auch wenn man erst drei ist. Die meisten Astronomen sind nur Astronomen geworden, weil sie sich als Kind das Radiusköpfchen ausgekugelt haben; aber nur, wenn sie keinen Orthopäden als Vater hatten. Der renkt einem nämlich im Nu das Radiusköpfchen wieder ein, mitten auf der Straße – oder am Schlachtensee. Man sieht nicht lange genug Sterne, um Astronom zu werden. Man atmet den Schweiß seines eigenen Vaters und gibt ihm nie wieder die Hand, und die Mutter traut sich nicht mehr, »eins, zwei, drei – hopp!« zu spielen. Und schon ist’s vorbei, das Leben im Geborgenen.
    Mein Ellenbogen schmerzte, und mir wurde erst jetzt richtig bewusst, wie allein ich war, allein unter Wichsern und Wölfen, ausgestoßen in die Welt, willenlos.
    Mach was aus deinem Leben, sonst machen wir’s! – Bei diesen Preisen muss man reisen! – Mehr Erfolg pro Leben!
    Ich fühlte mich klein und schrumpelig, wie eine Trockenerbse. Da traf ich diese drei Witzbolde von der Party. Bolt und Saphir und den anderen. Sie hatten riesige Sonnenbrillen auf und rannten mich fast um.
    »Ey, guckt mal«, rief einer und zeigte auf mich. »Da ist doch …«
    Sie hatten meinen Namen vergessen; ich konnte trotzdem nicht entkommen. Einen Moment dachte ich, ich könnte mich unter einem parkenden Auto verkriechen, dünn genug dafür war ich inzwischen.
    »Extrem«, sagte einer und glotzte mich an.
    Ein anderer sagte: »Gehen zwei Erbsen spazieren, sagt die eine Erbse zu der anderen Erbse: Vorsicht, da kommt eine Trep-Trep-Trep…«
    Sie lachten sich kaputt. Mir kam nicht mal eine Träne. Dabei liebe ich harmlose Witze, ehrlich, ich kann gar nicht genug davon kriegen, im Gegensatz zu den peinlichen, die mein Vater immer ablässt, wenn Besuch da ist.
    »Ey, Alter, kommst du mit?«
    Ich war bereit mitzugehen, wohin auch immer, weil ich keinen eigenen Willen mehr hatte, abgenabelt, einsam. Also folgte ich diesen Idioten. Immerhin hatten sie auf der Party alle geschlechtsreifen Schnecken abgesahnt. Vielleicht konnte ich noch was von ihnen lernen.
    Wir gingen zur Waldorfschule, eine dieser Steiner-Schulen, auf die meine Mutter mich gern geschickt hätte. Aber mein Vater hatte immer gesagt, der Junge braucht Ecken und Kanten. Und so bin ich auf eine ganz normale Schule gegangen, weil man da Ecken und Kanten kriegt und sich später selbst zurechtschleifen kann. Wenn ich meinen Vater für eine Entscheidung achte, dann für diese. Ich habe in meinem Leben schon so viele Leute kennengelernt, die sich für etwas Besseres gehalten haben, nur weil sie auf eine besondere Schule gegangen sind. Was für eine Illusion! Ich meine, man hat es doch überall zu 90  Prozent mit Idioten zu tun, oder?
    Eric, der Enkel der guten Frau Larmanta, unserer Nachbarin, die nachmittags kniefrei auf dem Alex rumhopst und Jesuslieder singt, deren Enkel also war auch auf einer Waldorfschule. Er hat Rose mit »h« geschrieben und Senf mit »m« und »pf« und so einen Mist. Er stand immer am Zaun und guckte in unseren Garten, und ich habe gerufen: »Komm doch rüber, wenn du dich traust.«
    »Natürlich trau ich mich!«, hat er zurückgerufen, ist aber nie rübergekommen. Was nützt einem da die Waldorfschule?
    Das Gebäude ragte hoch vor mir auf. Von außen sah die Schule ganz normal aus.
    »Komm doch, wenn du dich traust«, murmelte sie zwischen den Steinen hervor.
    »Klar trau ich mich!«, zischte ich zwischen den Schneidezähnen zurück. Dabei wäre ich am liebsten weggerannt. Aber wohin?
    Die Jungs nahmen ihre Sonnenbrillen ab. Von der Party war in ihren Gesichtern nichts übrig geblieben, sie sahen weder sonderlich müde aus noch sonderlich interessant. Sie erinnerten mich an Collagen: irgendwo mal ausgeschnitten und aufgeklebt worden. Ich konnte auch nicht erkennen, ob einer von ihnen mit Sandra II entscheidende Szenen erlebt hatte oder ob unter ihnen gar der Suzi-Mörder war. Keinerlei Anzeichen. Wir gucken uns immer nur vor

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