Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
Darüber sprechen wollte keiner von uns beiden.«
Sie ließ ihre Worte nachhallen, bevor sie fortfuhr.
»Wir setzten unseren Spaziergang fort, gingen hinunter zum Teufelssee und weiter zum Langen See und dort entlang bis zur Großen Krampe. Wir lachten und wir träumten weiter, doch alles war plötzlich anders und der Ausflug hatte sich zu einem Vorspiel verwandelt, das nur noch auf den einen Höhepunkt zusteuern konnte. Erst als die Droschke spätabends, es dämmerte bereits, wieder im Innenhof meines Zuhauses ankam, hatte Frank all seinen Mut gesammelt und fragte mich. Und ich? Ich sagte 'ja'! – Nein, ich schrie es geradezu heraus, denn alle Leute hinter den Fenstern sollten es hören. Dann fielen wir uns in die Arme und küssten uns.«
Frank beobachtete, wie ihre Finger mit dem Taschentuch spielten und dann ihr Gesicht. Obwohl Claires Stimme zitterte, erschienen keine Tränen.
»Seinen Eltern wollte Frank es so lange wie möglich geheim halten, es sollte eine Überraschung werden. Ich lachte darüber und sagte ihm, die Stadt wäre zwar groß, aber dennoch viel zu klein für all die Schwatzhaftigkeit der Leute, die bei mir zuhause neugierig an ihren Fenstern klebten. Außerdem, so scherzte ich, könne er vor seiner Mutter sowieso nichts verbergen.«
»Ich verstehe, was Sie meinen …« sagte Frank mit einem breiten Grinsen, das ihm gleich wieder verging.
»Am nächsten Abend war Frank tot.«
Frank hätte am liebsten nach Claires Hand gegriffen, um sie zu halten, doch fehlte ihm der nötige Mut dafür.
»Tief in der Nacht dann das Klopfen an der Wohnungstür. Noch heute werde ich nachts oft wach und bilde mir ein, das Geräusch wieder gehört zu haben. Ich liege dann da und warte, ob es sich wiederholt. Ob ich die tiefe, ungeliebte Stimme des Mannes auf der anderen Seite der Tür wieder höre. Doch sie erscheint allein in meinem Geist: 'Öffnen Sie bitte die Tür. Hier ist die Gendarmerie'. Als ich aufstand und aus dem Spalt der leicht geöffneten Zimmertür schaute, sah ich zuerst wie in einem Spiegel meine Mutter im Zimmer gegenüber, die es mir gleich tat. Marie und Anne, meine beiden kleinen Schwestern, schlüpften nur mit ihren Nachthemdchen bekleidet aus ihrem Schlafzimmer und tippelten barfuß zu meiner Mutter, um sich an sie zu drücken. Dann schauten wir alle vier zur Wohnungstür, in der mein Vater stand, der nur schnell in Morgenmantel und Pantoffeln geschlüpft war. Obwohl mir die Zeit danach heute wie ein Traum vorkommt, an den man nur noch schemenhafte Erinnerungen hat, war es leider keiner. Es sind heute nur noch Bruchstücke da, und vielleicht ist das gut so. Irgendwie verstand ich schließlich, was passiert war und was man von mir wollte. In einer Droschke hat man mich mitgenommen, die Fahrtzeit verging wie im Fluge und dauerte gleichzeitig eine Ewigkeit. Ich fand mich in einem Raum wieder, in dem sich einzig und allein ein Bett befand. Die Umrisse unter dem Leintuch erinnerten nur noch entfernt an einen Menschen. Ich befürchtete das Schlimmste und meine Ängste verwandelten sich in Gewissheit, als der Gendarm das Tuch langsam vom Kopfende anfangend nach unten wegzog. Warum ich nicht auf der Stelle zusammenbrach, weiß ich nicht. Das kam erst Tage später. Trotz des Schmerzes war mein Kopf wieder klar. Der Beamte hielt mir die blutverschmierte Fotografie vom Müggelsee unter die Nase: 'Ist das dieser Mann?' Und ich antwortete mit demselben kleinen Wort, das ich gestern für die ganze Welt hinausgebrüllt hatte; leise flüsternd bestätigte ich.«
Claire gab sich äußerst gefasst. Sie hatte sich sehr im Griff, doch Frank war sensibel genug, ihre Anspannung und Aufgewühltheit zu spüren.
»Es gab keinen Zweifel für Sie?«, wollte er wissen.
»Nein. Keinen.«
Völlig unverwandt drehte sie sich zu ihm um, starrte ihm ernst in die Augen.
»Wer sind Sie? Und was wollen Sie?«
Sie fragte hart und unerbittlich.
Einem reuigen Sünder gleich, senkte Frank seinen Blick.
»Ich weiß es nicht«, gestand er nach einer Pause. »Ich weiß es nicht.«
Und Claire glaubte dem Unbekannten, der da neben ihr saß.

Viele der Boote draußen auf dem See waren inzwischen zurück gerudert worden, schaukelten nun wieder, an den Molen vertäut, sanft hin und her. Auch für die restlichen war es bald Zeit, den Heimweg anzutreten, bevor die Dämmerung ihren Schatten über den Müggelsee zog.
Auf dieser Seite des Sees waren kaum noch Leute zu sehen.
»Franks Leiche war verstümmelt und sein Gesicht schwer entstellt«, fuhr

Weitere Kostenlose Bücher