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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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gleiten.
Doch Frank beherrschte sich. Er saß einfach nur da, beobachtete sie und wartete.
Immer wieder wanderte eine Perle zwischen ihren Fingern weiter und seit Franks Ankunft hatte jede Kugel mindestens zwei Mal ihre Fingerspitzen passiert, da kam allmählich der Glanz in ihre Augen zurück.
Ohne zur Seite zu blicken, wusste sie, dass Frank neben ihr saß. Darüber schien sie keineswegs überrascht zu sein. Sie sah auf den See hinaus, Frank tat es ihr gleich.
»Am Wochenende ist hier deutlich mehr los«, begann sie.
»War es an einem Wochenende, als die Fotografie entstand?«
Claire nickte, was Frank nur aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm.
Wie lange es tatsächlich dauerte, ehe Claire das Gespräch fortsetzte, wusste Frank nicht; er blieb geduldig.
Sie deutete mit der Hand nach rechts.
»Dort hinten am Steg war es!«
Und als Frank genau hinsah, erkannte er die Stelle wieder, an der das Pärchen fotografiert worden war.
»Warum sind Sie heute hierher gekommen?«, wollte Frank wissen.
Die Frage brachte sie aus der Fassung. Ihre Souveränität verlierend, spielte sie nervös an ihrem Rosenkranz herum, bis sie ihn schließlich in ihrem Handtäschchen verstaute und ihre Hände ineinander gefaltet in ihrem Schoß wieder zur Ruhe fanden.
»Diese Frage stelle ich mir auch …«
Nach einer Weile fuhr sie fort: »Vielleicht aus Sehnsucht nach jenem Frühlingstag.«
»Eine wunderschöne Erinnerung an einen wunderschönen Tag«, sagte Frank, ohne jegliche Betonung oder Theatralik.
Claire schluckte, öffnete erneut ihre Handtasche und kramte ein seidenes weißes Taschentuch hervor.
»Sie sind nicht Frank Miller!«, wiederholte sie unvermittelt und stoisch die Worte, die sie ihm schon gestern Abend entgegen geschleudert hatte. Ob der Satz für ihn bestimmt war, oder für sie selbst, das konnte Frank nicht heraushören.
Anscheinend hatte sie auf eine Widerrede gewartet, denn als diese nicht kam, sagte sie es abermals: »Sie sind nicht Frank Miller!«
Wieder vergingen lange Sekunden, ehe Frank reagierte: »Wer bin ich dann?«
Zum ersten Mal drehte sie sich zu ihm und schaute ihn an. Sie musterte ihn, sein Gesicht, sein Haar, die Ungewissheit und das Flackern in seinen Augen.
»Sie sind ihm äußerst ähnlich. Wie ein eineiiger Zwilling.«
»Nur, dass Frank Miller keinen Zwillingsbruder hatte, oder?«
Verlegen blickte Claire wieder über den Kai hinaus aufs Wasser.
»Nein, Frank war ein Einzelkind. Das heißt, eine jüngere Schwester hätte er gehabt. Sie ist im Alter von zwei Jahren gestorben.«
Frank folgte ihrem Blick.
Irgendwann fragte er sie, ob sie ihm etwas erzählen möchte, über jenen Frühlingstag und irgendwann willigte sie ein und begann damit.
»Es war ein Sonntag. Frank holte mich schon frühmorgens von zu Hause ab. Meine Eltern mochten Frank sehr und hatten großes Vertrauen in ihn. Ich musste sie nicht lange überreden, mich mit ihm ziehen zu lassen. Außerdem war ich ja zweiundzwanzig und seit mehr als einem Jahr volljährig. Ich freute mich sehr auf diesen Ausflug und die Aussicht, den ganzen Tag mit Frank zu verbringen. Die Droschke stand schon unten im Innenhof, als wir – ich hatte mich bei Frank untergehakt – das Treppenhaus verließen. Ich sah, wie an zahlreichen Fenstern des Mietshauses neugierige Gesichter hinter den Gardinen hervorschauten; ich war stolz darauf und genoss es. Jeder konnte und sollte es sehen – dass ich mit meinem Frank einen Ausflug machte!«
Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung des Wassers.
»Den Müggelsee hatte Frank als Ziel gewählt. Ich war erst einmal zuvor dort gewesen, in meiner Kindheit, und hatte schöne Erinnerungen daran. Gutgelaunt trafen wir ein, gingen spazieren, ließen an einem Steg die Füße ins Wasser baumeln, um sie anschließend von den Sonnenstrahlen wieder trocknen zu lassen. Wir redeten über Gott und die Welt; kehrten mittags in eine Gaststätte ein, wo wir draußen, unter freiem Himmel aßen und tranken. Frank machte Scherze und brachte mich zum Lachen; und manchmal konnte ich nur noch den Kopf über ihn schütteln, so ausgelassen gab er sich. Nach dem Essen sind wir hier gelandet und dieser Fotograf überredete uns zu dem Bild. Ab dem Zeitpunkt, als der Fotograf mich Franks 'Fräulein Braut' nannte, war die Stimmung eine andere. Wir machten uns lustig über die Aussage, obwohl für uns beide der ernste Hintergrund unverkennbar war. Mit einem Schlag wurde uns klar, was Familie und Bekannte wahrscheinlich schon längst wussten: Wir waren ein Paar!

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