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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Namensschild an der Schreibtischkante: »Ja, Frau Kolp!«
Warum fühle ich mich nur wie ein Bittsteller, fragte sich Frank, wie ein Schüler, der zu spät kommt?
Nervös fingerte er ein zusammengefaltetes Schreiben der Wehrmachtsführung aus dem Seitenfach seiner Reisetasche. Es dokumentierte seinen Anspruch auf einen Studienplatz und er streckte es der Sekretärin entgegen.
Sie faltete es auseinander und las. Ihre Augen wurden größer, ihre Haltung aufrechter.
»Oh, Sie haben gedient, Herr Miller, im Osten, die ganzen vier Jahre! Ja, klar. Natürlich sind Sie herzlich willkommen hier in Oxford. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
Hastig, sich von ihm abwendend, widmete sie sich wieder ihrem Rechner.
Mehrere Exemplare des Vorlesungsverzeichnisses lagen zur Mitnahme an einer Seite des Schreibtisches, Frank steckte sich eines davon ein.
»Herr Miller«, wiederholte sie, als sie seinen Namen tippte.
»Vorname: Frank, Geburtsdatum: 24.10.1978, Geburtsort: Germania« verglich sie die Daten der Wehrmachtsbescheinigung mit denen auf ihrem Bildschirm.
»Da haben wir Sie ja. Es ist bereits alles arrangiert. Ich drucke ihnen gleich Ihre Studienbescheinigung aus, Herr Miller. Sie wurden im Studentenwohnheim IX einquartiert. Ihre Zimmernummer ist die IX-4-15. Ich erkläre Ihnen gerne den Weg dorthin!«

2
     
    Eine schlichte und zweckdienliche Einrichtung erwartete er: einen Schreibtisch, einen von der Universität gestellten und mit den Hochschuldatenbanken vernetzten Rechner, einen ergonomischen Schreibtischstuhl, ein Bett, einen Schrank, ein Regal und ein Waschbecken.
Wenig; aber mehr, als er die letzten vier Jahre gehabt hatte. Im Gotengau waren sie zu viert auf der Stube gewesen, in der Stadt des Endsiegs gar zu acht.
Für Intimität und Individualität war dort kein Platz gewesen.
Frank hatte einen Schlüssel für das Zimmer mit der Nummer 15 erhalten, vor dessen Tür er nun stand. Dennoch, er erwartete nicht, dass abgeschlossen war und drückte die Klinke.
Ja, das Zimmer war genau so eingerichtet, wie er vermutet hatte.
Dass allerdings jemand mit dem Rücken zu ihm vor dem Fenster stand und hinausblickte, hatte er nicht erwartet.
Zunächst hatte er die schmale, aber kräftige Gestalt in Hemd und Hose mit dem kurzen knabenhaften Schnitt ihres brünetten Haars für einen Mann gehalten, doch als sie sich umdrehte wurde er eines Besseren belehrt.
Es war eine junge Frau, die ihn jetzt lausbübisch anlächelte.
Frank kontrollierte, immer noch im Türrahmen stehend, ein weiteres Mal die Nummer auf der Tür.
Dann sah er wieder zu der Frau, die ihn neugierig abwartend musterte.
Am liebsten hätte er sie gefragt, warum sie ihn so angrinste.
»Entschuldigen Sie!«, blieb Frank höflich. »Man sagte mir, ich hätte die Nummer 15!«
Die Frau ging nicht darauf ein.
Frank kniff die Augen zusammen und musterte ihr Gesicht.
»Karen?«, fragte er schließlich.
Sie nickte, dann ging sie auf ihn zu, schloss ihn in die Arme und drückte ihn.
Franks einzige Reaktion war, seine Reisetasche los zu lassen, die neben ihm zu Boden plumpste. Seine Arme hingen einfach zu beiden Seiten seines Körpers nach unten.
Die Frau war irritiert, ließ sich aber nicht von ihrer Umarmung abbringen.
Frank spürte die Kraft ihrer Arme, die seinen Körper länger pressten, als ihm lieb war. Als sie ihn endlich frei ließen, atmete er erleichtert auf.
»Eigentlich wollte ich dir ja ein Begrüßungsküsschen auf die Wange geben, aber ich lasse es dann mal lieber!«
»Ich danke dir dafür!«
Er schloss die Zimmertür hinter sich. »Karen Degner. Ich muss schon sagen: Du bist die Person, die ich am wenigsten hier vermutet hätte.« Und für einen Moment zeigte sich auch ein Lächeln auf seinen Lippen. »Die Überraschung ist dir wirklich geglückt.«
Er sah unters Bett und unter den Schreibtisch, danach tastete er die obere Leiste des Türrahmens ab, da sie vom normalen Sichtwinkel aus nicht einzusehen war.
»Wie primitiv« sagte Karen und zog ein handtellergroßes Gerät aus einer Gürteltasche. Sie knipste es an und hielt Frank die Anzeige darauf unter die Nase. »Es ist alles sauber hier. Ich habe das Zimmer überprüft, bevor du gekommen bist.«
»Du weißt, dass diese Geräte verboten sind?«
»Abhöreinrichtungen in Privaträumen offiziell auch«, antwortete sie und ergänzte mit einem schelmischen Gesichtsausdruck, den er aus der Zeit kannte, als die Frau ihm gegenüber noch ein kleines Mädchen gewesen war: »Außerdem ist das hier ja nur ein mobiles

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