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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Bilder aus seiner Belgrader Zeit auf dem Monitor erschienen. Mit großen Augen ergötzte er sich an den Szenen, die er wahrscheinlich über die Jahre hundertfach, tausendfach gesehen hat. Aufmunternd blickte er mich an. Ich versuchte, Haltung zu bewahren. Als er sich dann wieder dem Bildschirm widmete, bin ich schnell aus dem Zimmer gerannt. Heute glaube ich, dass er tatsächlich etwas von mir wollte. Er hat sich an den Folterexzessen geradezu aufgegeilt.«
Frank wusste immer noch nicht, worauf Karen hinaus wollte.
»Als ich ihn das nächste Mal traf – es war bei der Abendessenausgabe – da verhielt er sich so, als wäre nichts geschehen. Ich weiß nicht, ob er sich nicht die Blöße geben wollte, dass er bei mir nicht landen konnte, oder ob er schlicht und einfach schon wieder vergessen hatte, dass er mir seine Aufnahmen gezeigt hatte. Erst ein paar Tage später vernahm ich zufällig, wie Hilde sich bei Doreen ausweinte, beide zwei Sozialdienstleistende wie ich. Am Rande hörte ich Worte fallen, die eindeutig darauf hinwiesen, dass auch Hilde bei Heider war und die Bilder gesehen hatte. Und aus Doreens tröstlicher Reaktion war eindeutig zu schließen, dass auch sie Bescheid wusste. Ich blieb vorsichtig, forschte aber weiter. Nach und nach recherchierte ich, dass eigentlich das komplette Klinikpersonal involviert war. Da wuchs in mir der Plan, wie daraus für meine Zwecke Kapital zu schlagen war.«
Jetzt wurde Frank doch neugierig.
»In meiner Freizeit bereitete ich Plakate vor, telefonierte mit mehreren örtlichen Behörden in Bad Schandau, verabredete Termine, buchte mehrere Säle in der ganzen Sächsischen Schweiz. Zu Beginn nannte ich meine Kampagne nur 'Vortrags- und Filmreihe zu Ehren unseres Generals a. D. Georg Heider', ohne näher auf den Inhalt einzugehen. Bad Schandau ist ja nicht gerade als ein kulturelles Zentrum bekannt und die Menschen dort sind dankbar für alles, was sie aus ihrem Alltag reißt. Und einen renommierten Wehrmachtsgeneral in ihrer Mitte zu haben, erfüllt sie verständlicherweise mit großem Stolz. Daher stieß ich bei den meisten Stellen, allen voran die örtliche Parteiführung, auf ein offenes Ohr. Sie unterstützten mich sogar, druckten die Plakate, die ich entworfen hatte und verteilten sie im ganzen Stadtgebiet und darüber hinaus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie keine Ahnung, was genau ich zum Inhalt der Veranstaltungen machen wollte. Als ich dann einen freien Tag hatte, klapperte ich die ganzen Stellen, mit denen ich gesprochen hatte, noch einmal ab und führte ihnen eine Kopie von Heiders Scheibe vor, die ich zwischenzeitlich heimlich erstellt hatte. Entsetzen spiegelte sich auf den Gesichtern der Leute wider, als sie die schrecklichen Szenen sahen. 'So was kann man doch nicht zeigen!', 'Was wirft denn das für ein Licht auf unseren Herrn General?' und 'Das ist nicht im Sinne der Partei, solche Bilder von der Wehrmacht zu zeigen!', schlug mir entgegen. Ich reagierte darauf mit dem naivsten Gesichtsausdruck, den du dir vorstellen kannst. Erinnere dich an die Erdbeerbowle! Nüchtern und nach zehn Jahren Übung gelang mir die Mimik bei weitem glaubwürdiger. Dass es doch überhaupt keinen Grund gäbe, an den ehrenwerten Motiven des Generals zu zweifeln, entgegnete ich und weiter mit gespielter Unschuld, dass es doch außerhalb jeglichen Zweifels stände, dass die Wehrmacht so etwas nur machen würde, wenn die Menschen dort in Serbien es auch verdient hätten. Als ich abends zurück ins Seniorenheim kam, wurde ich sofort an der Pforte abgefangen und in einen Sitzungssaal zitiert. Dort saß die komplette Heimleitung versammelt, in einer Atmosphäre, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Besorgte, aufgebrachte, rote Gesichter, und alle richteten sich auf mich, als ich eintrat. Mann, war ich aufgeregt! Ich dachte, jeder im Saal müsste hören können, wie mein Herz rast, jeder müsste sehen können, wie meine Hände schwitzten, jeder müsste die Vibrationen meiner Stimme spüren können.«
Karen setzte sich kerzengerade und ihr Gesicht zeigte eine völlig unschuldige und naive Mimik.
»Doch Karen Degner gelang es ganz vorzüglich und überzeugend, ihre Rolle weiter zu spielen. Ich tat ganz so, als wüsste ich überhaupt nicht, wie mir geschah und was die Ursache der ganzen Aufregung hier wäre. Die Telefone wären den ganzen Tag nicht zur Ruhe gekommen, begann Frau Adam, die stellvertretende Heimleiterin. 'Sie bringen uns in Teufels Küche!', bellte ein kleiner mir unbekannter

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