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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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hatte. Umsiedlungen und Geburtenkontrolle waren noch zwei der harmloseren Ursachen dafür. In den sogenannten 'Siedlungszonen erster Ordnung' hatte im Laufe der Jahre eine vollständige Germanisierung stattgefunden. Die Gaue waren vorwiegend landwirtschaftlich strukturiert, weitgehend friedlich und sicher. Ganz anders als das ehemalige Sowjet-Territorium weiter östlich, in das Frank Miller sechzig Jahre nach dem offiziellen Kriegsende und dem Endsieg gekommen war. Weder das Kriegsende noch den Endsieg hatte er dort vorgefunden.
Wieder waren seine Gedanken abgeschweift.
Dass er nicht vergessen konnte, wusste er.
Aber war es ihm nicht einmal vergönnt zu verdrängen?
Der Herbst, die Heide, die Kühe und Schafe, Idylle , dachte er, freu dich auf Oxford, Frank, freue dich doch!

Frank stieg aus dem Taxi, das ihn vom Bahnhof zum Campus gebracht hatte, und stellte seine olivefarbene Reisetasche neben sich auf den Asphalt. Sie beinhaltete alles, was ihm wichtig und wert genug war, mitgenommen zu werden.
In Ruhe betrachtete er von außen das Hochschulgelände. Es war so groß wie eine eigene kleine Stadt, die Gebäude darauf größer als die meisten, die außerhalb des Campus' standen. Der Plan dafür war auf dem Reißbrett entstanden. Frank hatte Bilder der Universitäten von Straßburg, Düsseldorf, Litzmannstadt und aus vielen anderen Städten gesehen. Alle glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie waren effektiv und funktionell, Lernfabriken, ganz so, wie das Reich es wollte. Es gab nur den einen Unterschied: Das Motto, das in großen Buchstaben auf dem hohen Rundbogen prangte, der auf den Campus führte.
IN CAPTIA VITALITAS war der Sinnspruch Oxfords: Leben heißt jagen.
Das Hochschulgelände lag mitten in der Stadt und dominierte in seiner modernen, zweckdienlichen Wuchtigkeit das Zentrum. Zahlreiche historische Gebäude hatten dem Neubau und anderen staatlichen und kommunalen Einrichtungen seinerzeit weichen müssen. Das alte, ehrwürdige und beschauliche Oxford war nicht mehr, es existierte nur noch einem lebendigen Museum gleich, als Schatten seiner selbst in der Peripherie der Stadt.
Die vielen Universitäten waren zu einer großen Reichs-Universität zusammen geführt: kontrollier- und steuerbar; die früher zahlreichen eigenständigen Hochschulen waren heute zu Außenstellen degradiert.
Leben heißt fliehen , dachte Frank. Doch wohin?
Er packte den Griff seiner Tasche, schritt zum Pförtner und ließ sich den Weg zum Sekretariat erklären. Alles hier war ordentlich ausgeschildert, die Gehwege sauber, die Hauswände ohne irgendwelche Schmierereien. Sprüche wie 'Rache für unsere Toten', 'Tod allen Ariern', 'Herrenrasse verrecke' waren dagegen zu lesen gewesen in den vor Schmutz starrenden Straßenzügen im Osten, in denen er patrouilliert, gekämpft und Verwundete versorgt hatte. Er schüttelte den Kopf und verscheuchte damit die roten Buchstaben vor seinem inneren Auge.
Vor dem Sekretariat befand sich ein Wartesaal mit Platz für etwa einhundert Studenten. Obwohl der Saal leer war, zog sich Frank eine Nummer am Ausgabeautomaten und setzte sich.
Es dauerte nicht lange, bis eine Stimme »Sie können gleich hier herein kommen« rief. Frank entdeckte vier durchnummerierte Türen an einer Front des Saals: die mit der Nummer zwei war halb geöffnet.
»Heil Hitler!«, murmelte die Frau missmutig hinter dem Schreibtisch, als Frank das Büro betrat. Sie sah ihn dabei nicht an, tippte weiter auf der Tastatur ihres Rechners.
Die obligatorischen Bilder des ersten Führers und der Hitler nach ihm hingen hinter ihr an der Wand.
»Heil Hitler!«, grüßte Frank zurück.
»Moment noch!« Sie blickte ein paar Mal auf ein Schriftstück neben der Tastatur und dann immer wieder prüfend auf den Bildschirm. Zum Schluss drückte sie eine Taste, die das Programm beendete und legte das Schriftstück in ein Ablagekörbchen, auf dem vorne das Wort 'erledigt' stand.
»Setzen Sie sich!«, sagte sie, als sie erkannte, dass Frank immer noch verlegen abwartend im Türrahmen stand.
Frank nickte und nahm Platz.
»Sie wissen, dass das Semester bereits begonnen hat, ja?«
Sie sah ihm direkt in die Augen.
»Ja!«
»Und Sie wissen, dass nach Semesterbeginn nur in Ausnahmefällen noch immatrikuliert werden kann?«
Dass sie mit diesen Ausnahmen nicht einverstanden war, war unschwer zu erkennen. Auch, dass am liebsten sie es gewesen wäre, die bestimmte, für wen die Ausnahmen gemacht würden und für wen nicht.
Frank entdeckte ihr metallenes

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