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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Mann dazwischen, bevor Frau Adam ihren Satz zu Ende hatte. Ich solle an den guten Ruf des Seniorenheims denken, appellierte Herr Barthel, der Heimleiter. Was denn überhaupt los sei, fragte ich schüchtern. Und nach einem Durcheinander von mehreren weiteren Beschimpfungen und Anfeindungen, auf die ich mich stets unwissend und dumm stellte, begriff auch der Letzte in der Versammlung, dass ich wirklich nicht zu begreifen schien, was ich heute los getreten hatte. Ich ließ es mir von Barthel väterlich und in aller Ruhe erklären.«
Sie wurde ernst und verstellte ihre Stimme.
»'Mein liebes Fräulein Degner, zweifellos hatten Sie den guten Willen, dem ehrenwerten General a. D. Heider die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen. Doch die sehr privaten Dokumente, die Sie heute vorab verschiedenen Leuten in Bad Schandau vorgestellt haben, sind dem Ruf des Generals nicht gerade zuträglich.'«
Sie wechselte wieder zu ihrer Unschuldsmiene und ihrer normalen Tonlage.
»'Aber er hat sie mir doch selbst gezeigt und ist sehr stolz darauf. Und das mit gutem Recht, wie ich finde. Auf seine vorbildlichen Leistungen und Taten in Belgrad hat das Reich doch immer wieder hingewiesen.'«
Erneuter Rollenwechsel.
»'Aber erkennen Sie denn nicht die Brisanz dieser Bilder?'«
»'Aber es ist doch richtig und wichtig, was der Herr General in Belgrad gemacht hat, oder?'«
»'Ja, natürlich, mein Kind, das zweifelt doch auch niemand an.'«
»'Dann sollten es doch auch alle sehen. Wissen Sie, Herr Barthel, er ist ein Held gewesen und heute ist er so traurig und einsam. Ich wollte ihm etwas Gutes tun …'«
Karen gelang es sogar, die imitierte Stimme Barthels verzweifelter klingen zu lassen.
»'Aber doch nicht so. Sie werden genau das Gegenteil bewirken, erkennen Sie das nicht, Fräulein Degner? Abgesehen von dem Schaden, den Sie dem Heim anrichten.'«
»'Aber der General ist doch ein guter Deutscher, er hat doch nichts falsch gemacht!'« Eine kleine Träne erschien in Karens linkem Auge. »'Ich habe es doch nur gut gemeint!'«
»'Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Haben Sie zum Beispiel daran gedacht, dass das Material des Generals auch von Feinden des Reichs für ihre Zwecke verwendet werden könnte?'«
Karen sah Frank mit großen Augen an: »'Feinde? Welche Feinde? Hier in der Sächsischen Schweiz gibt es doch keine Feinde! Sind doch alles gute Deutsche hier!'«
»'Fräulein Degner, wir haben uns da etwas für Sie überlegt. Ihren Akten haben wir entnommen, dass Sie gerne studieren wollen, wenn Sie den Sozialen Dienst abgeleistet haben. Ist dem immer noch so?'«
Karen senkte demütig den Blick.
»'Ja, Herr Barthel.'«
»'Sie wären doch bestimmt froh, wenn Sie früher als erwartet mit Ihrem Studium beginnen könnten?'«
»'Ja, Herr Barthel.'«
»'Und Sie wären doch bestimmt auch sehr glücklich, wenn wir Ihnen, auch im Namen des Partei-Ortsverbandes, ein Empfehlungsschreiben ausstellen würden, das Ihnen Tür und Tor an einer von Ihnen gewünschten Universität öffnet?'«
»'Ja, Herr Barthel.'«
»'Nun, mein Kind, dann sind wir uns einig. Sie müssen einzig und allein versprechen, dass Sie Ihre Kampagne General Heider betreffend sofort einstellen und uns alle Unterlagen, die Sie diesbezüglich in Händen halten, umgehend übergeben.'«
»'Das verspreche ich, Herr Barthel. Bei meiner Liebe zu Führer und Vaterland.'«
Sie grinste.
Frank schüttelte den Kopf. Hätte der Hintergrund ihrer Geschichte nicht diese Tragweite gehabt: Er hätte sicher mit ihr gelacht.
»Karen, Karen, dir ist es als Kind gelungen, mich ständig zu überraschen und dir gelingt es heute noch.«
»Du bist ja gerade mal eine Stunde hier. Warte erst mal ab, mein Lieber, was ich noch alles für dich habe!«
Mehr als zwei Stunden vergingen wie im Fluge, während sie weitere Jugenderinnerungen austauschten und einander erzählten, was sie in den letzten Jahren erlebt hatten. Schließlich beschlossen sie, ihre Unterhaltung in einer dem Campus nahe gelegenen Kneipe fortzusetzen. Dort plauderten sie weiter, bis der Wirt sie auf die mitternächtliche Sperrstunde aufmerksam machte. Frank blieb zumeist ernst und selbst Karens lebensfrohe Art war nicht in der Lage, seine frühere Unbekümmertheit wieder aus seinem Innersten hervor zu holen. Aber sie spürte, dass die Lebensfreude noch in ihm war und hoffte, dass es nur eine Frage der Zeit war, sie wieder zu erwecken.
Anschließend machten sie noch einen Rundgang über den mit Straßenlaternen beleuchteten Campus und

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