Alles bleibt anders (German Edition)
Karen erklärte ihm, an welcher Stelle sich welche Einrichtungen befanden. Dann trennten sie sich und gingen ihrer Wege.
Frank war sehr müde. Erst der Lufthansa-Flug von Germania nach London, dann die Bahnfahrt nach Oxford und schließlich das Wiedersehen mit Karen. Dass er Karen endlich wieder getroffen hatte, freute ihn sehr. Dennoch, es war sehr anstrengend gewesen. Er legte sich hin und war sofort eingeschlafen.
3
Dem Vorlesungsverzeichnis konnte Frank entnehmen, dass er die ersten Vorträge allgemeine Fragen das Universitätsleben betreffend – wegen seines verspäteten Studienbeginns bereits verpasst hatte. Über die relevanten Themen würde ihn sicherlich Karen informieren, da hatte er keine Bedenken.
Die Einführungsveranstaltung speziell für Physik war für den heutigen Tag angekündigt, 11:00 Uhr. Die Zeit davor nutzte Frank, seine wenigen Habseligkeiten in seinem Zimmer zu verstauen. Wie er es sich während seiner Armeezeit angeeignet hatte, wurden all seine Kleidungsstücke, durch die Flughafen-Kontrolle und den Transport in seiner Reisetasche verknittert und durcheinander gekommen, akkurat und passgenau in seinen Kleiderschrank eingeordnet. Zahnbürste, Zahnpasta, Rasierer und Rasierwasser fanden ihren Platz auf dem Bord über dem Waschbecken.
Bereits kurz nach zehn klopfte es an der Tür. Frank schloss auf, draußen stand Karen.
»Guten Morgen, ich wollte dich abholen!«
»Guten Morgen. Aber ich gehe gleich zu meiner ersten Vorlesung.«
»Ja, ich weiß. Und ich begleite dich! Ich habe selbst heute keine Verpflichtungen und da dachte ich mir, ich heitere meinen guten alten Freund Frank weiter auf. Außerdem höre ich Professor Gothaer äußerst gerne zu. Ich entdecke immer wieder Neues in seinen Ausführungen, selbst wenn ich die entsprechende Vorlesung schon einmal besucht habe.«
»Auf den hast du mich gestern Abend ja richtig neugierig gemacht.«
Sie hatte ihm erzählt, dass allein seine Schriften, die sie vor Studienbeginn in die Finger bekommen hatte, den Ausschlag für sie gegeben hatten, sich für Oxford zu entscheiden.
»Aber es ist noch eine knappe Stunde Zeit«, sagte Frank.
»Wie ich dich einschätze, hast du noch nichts gefrühstückt.«
Frank nickte.
»Na, dann lade ich dich doch vorher noch auf einen Kaffee ein. Dann kannst du auch gleich unsere Mensa kennen lernen. Glaub mir, es ist besser, man versucht, sich langsam an sie zu gewöhnen, in möglichst kleinen Dosen.«
Da war es wieder, dieses schelmische Lächeln, das er schon als Kind so sehr an ihr gemocht hatte.
Achthundert Studenten passten in den Hörsaal III der Universität von Oxford. Karen und Frank kamen fast eine viertel Stunde vor dem Vorlesungsbeginn und hatten Mühe, noch zwei benachbarte Plätze zu ergattern.
Die Treppen nach unten hatten frei zu bleiben. Wer zu spät kam, um noch in den Sitzreihen fündig zu werden, verließ den Hörsaal wieder: mürrisch und mit langem Gesicht, aber widerspruchslos.
Professor Robert Gothaer erschien pünktlich.
Frank fiel auf, dass er die Versammelten mit einem schlichten und unpolitischen 'Guten Tag' begrüßte.
Es war seine erste Vorlesung vor den neuen Erstsemestern und er hieß alle noch einmal herzlich auf dem Campus willkommen.
Er hatte eine offene und ehrliche Art und war Frank vom ersten Moment an äußerst sympathisch.
Gothaer hatte schwarzes, an der Seite gescheiteltes Haar, das an zahlreichen Stellen bereits ergraute. Auch in seinem kurzen, gepflegten Vollbart dominierten mittlerweile die helleren Töne. Eine Brille mit dickem, dunklem Rand und großflächigen Gläsern verstärkte die Klarheit und Offenheit seines Blickes. Frank wunderte sich, denn es gab nur wenige Menschen, die ihre Sehschwächen nicht durch eine entsprechende Laseroperation beseitigen ließen. Gothaer trug einen dunkelblauen Rollkragenpullover und eine dunkelgraue Hose. Er wirkte auf Frank, als habe er überhaupt nichts zu verbergen und wolle all sein Wissen mit der Welt teilen.
Gothaer begann in großer Ausführlichkeit über die großen Physiker der Antike zu referieren. Von den Erkenntnissen Eratosthenes' und Ptolemäus' sprach er, von den Entdeckungen eines Archimedes und eines Aristoteles. Er schweifte ab zu zahllosen Ägyptern, Persern, Griechen und Römern, deren Namen Frank noch nicht gehört hatte. Das Wissen würzte Gothaer mit einer Vielzahl an Details und Querverweisen, mit Hintergrundinformationen, die man lange in Büchern hätte suchen müssen und er stellte immer wieder Fragen, um die
Weitere Kostenlose Bücher