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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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Anwesenden mit einzubeziehen. Dies gelang ihm ganz vortrefflich. Abgesehen vom Vortrag war es mucksmäuschenstill im Saal. Keiner der Studenten war mit etwas anderem beschäftigt, als Professor Gothaer zuzuhören.
Per Rechner projizierte Gothaer an die hintere weiße Hörsaalwand Grafiken und Tabellen; er verdeutlichte damit die vorgetragenen Fakten und Thesen.
Sein Vortrag war lehrreich ohne oberlehrerhaft zu wirken, seine Rede war fundiert und ausführlich ohne die Zuhörer zu überfordern.
Weiter ging es mit Galilei, Kepler, Newton und all den anderen, die die Grundlagen für die moderne Physik der Neuzeit gelegt hatten, deren Ziel die Reise mit Gothaers Vortragskunst war.
Als Franks Nebenmann einen Apfel aus seiner Aktentasche fingerte und beim Hineinbeißen darauf Acht gab, möglichst kein Geräusch zu verursachen, machte sich auch Franks fehlendes Frühstück bemerkbar. Er blickte auf seine Armbanduhr. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, dass es inzwischen fast zwei Uhr war. Karen sah Franks Blicke und hörte das leise Grummeln in seinem Magen. Sie griff in ihre Tasche und holte zwei in Butterbrotpapier verpackte belegte Brote hervor. Leise wickelte sie sie aus und ließ Frank die Entscheidung zwischen Geflügelsalami und Emmentaler. Dankbar nahm er das Salamibrot und nickte ihr lächelnd zu.
Unten im Hörsaal spannte der Professor gerade den Bogen weiter zu den Erkenntnissen des 19. und 20. Jahrhunderts. Er referierte – unter besonderer Betonung ihrer nationalen Herkunft – über Max Planck, Werner Heisenberg und Albert Einstein. Plancks Quantentheorie, Heisenbergs Unbestimmtheitsrelation und Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie als Grundpfeiler der heutigen Forschungen widmete er besondere Zeit und Ausführlichkeit.
Beispiele und über die bekannten Theorien hinaus gehende Fragestellungen rundeten das Einführungsreferat ab und hielten die Aufmerksamkeit der Zuhörer aufrecht. Diese getrauten sich kaum, den Saal für einen Toilettenbesuch zu verlassen, aus Angst etwas Wichtiges zu verpassen. Gothaer gönnte seinen Studenten keine Pause und als er gegen 17:00 Uhr seinen Vortrag beendete, war die Verwunderung groß, dass so viel Zeit vergangen war. Erst zum Ende des Referats war Frank aufgefallen, dass der Professor mit einem kaum noch wahrnehmbaren englischen Akzent sprach.
Zum Zeichen ihrer großen Zufriedenheit applaudierten einige der Zuhörer, andere klopften mit ihren Fingerknöcheln laut auf die Reihenabgrenzungen des Hörsaals. Auch Karen und Frank ließen sich davon anstecken. Anschließend leerten sich die Reihen nur allmählich, überall bildeten sich Grüppchen, in denen über das Gehörte diskutiert wurde. Vereinzelt trauten sich auch Erstsemester, auf den Professor zuzugehen. Sie wollten diese oder jene These noch einmal erläutert bekommen, stellten Fragen und suchten Antworten zu eigenen Theorien. Geduldig und ohne Zeitdruck versuchte Gothaer jedem gerecht zu werden.
»Na, habe ich dir zu viel versprochen?«, wollte Karen wissen.
»Sicher nicht. Ich bin beeindruckt«, meinte Frank. »Sowohl was seine Kenntnisse betrifft, als auch seine bescheidene, aber resolute Art, sein Wissen weiterzugeben.«
»Ja, er ist eine Wohltat – im Gegensatz zu anderen Professoren hier am Campus. Die wirst du auch noch kennen lernen. Manche spulen ihren Lehrstoff einfach so herunter. Unreflektiert und unkommentiert. Manchmal stelle ich mir die Frage, ob sie wirklich wissen , wovon sie reden, oder ob sie schlichtweg eine Pflicht erfüllen, die ihnen die Hochschulleitung auferlegt hat. Ich habe noch keine Frage gehört, auf die Professor Gothaer keine Antwort gehabt hätte.«
Langsam leerte sich der Saal, was Karen und Frank weniger der fehlenden Wissbegierde als dem erwachenden Hungergefühl der Studenten zuschrieben.
Als die letzten Kommilitonen den Professor an seinem Pult verließen, erhob sich auch Karen und bat Frank, mit ihr nach unten zu kommen.
Gothaer saß inzwischen an seinem Rechner und überprüfte einige Daten auf dem Bildschirm. Sein Assistent hatte den Hörsaal durch eine rückwärtige Tür verlassen.
»Guten Tag, Herr Gothaer«, begrüßte ihn Karen freundlich.
»Ah, Fräulein Degner, guten Tag.« Er sah von seinem Monitor auf und sein Gesichtsausdruck wirkte auf Frank gerade so, als würde er an Karen eine stumme Frage richten. Und als er Karen sofort seinen Blick zuwandte, meinte er die Andeutung eines Nickens und einen bestätigenden Lidschlag bei Karen festzustellen.
»Dann sind Sie sicher

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