Alles bleibt anders (German Edition)
Mann vor seinem Rechner. Ihn hatte Frank auch die Nächte zuvor beobachten können, als er selbst spät nach Hause gekommen war. Nachtaktiv , dachte Frank, denn tagsüber waren dessen Rollläden bisher stets geschlossen geblieben.
Von rechts hörte er ein Geräusch und als er sich näher zum Fenster beugte, konnte er die zwei Fahnenmasten entdecken, die er bereits kannte. Den einen zierte die Flagge mit dem Stadtwappen Oxfords: ein roter Ochse, der auf drei blauen Wellenlinien steht, Symbol einer Furt-Passage. Auf der Flagge am Mast daneben: das schwarze Hakenkreuz, in weißem Kreis auf rotem Grund. Ein leichter Wind ließ die Seile der beiden Fahnen immer wieder gegen die Masten flattern.
Etwas irritierte Frank. Sein Gedächtnis schien ihm einen Streich zu spielen.
Er konnte sich nicht entsinnen, sich schlafen gelegt zu haben.
Was ist das Letzte, woran du dich erinnerst, Frank? , fragte er sich.
Ein Gang durch einen Keller, flackerndes Licht, Staub und Schmutz, Gefängniszellen, ein Sarkophag.
Und dann?
Frank sah an sich herab.
Er hatte in seinem Bett gelegen; sollte er da nicht seinen Schlafanzug tragen?
Sollte doch …?
Aufgeregt griff er sich an die Brust.
Seine Hand umfasste ein Medaillon.
Er war tatsächlich gereist!
Seine Finger zitterten, als er das Medaillon öffnete.
Halt!
Geistesgegenwärtig ließ er die Rollläden wieder hinab.
Er war Mediziner genug, um an seinen Kreislauf zu denken. Also legte er sich sicherheitshalber zurück ins Bett.
Dann erst drückte er den schwarzen, weichen Knopf im Medaillon.
10
»Wie geht es Ihnen, Herr Miller?«, hörte Frank die Stimme des Professors rufen.
»Bedenkt man die Umstände: verhältnismäßig gut!«
Woraufhin auch schon die Klappe zu seinen Füßen aufglitt und das eindringende Neon-Licht seine Augen blendete.
Er blinzelte und spürte, wie er auf der Metallplatte liegend wieder ins Freie befördert wurde.
»Falls Sie besorgt sind: Mit Ihrem Alter Ego ist alles in Ordnung! Und mit Ihren Werten auch, soweit ich das hier bereits beurteilen kann.«
Nun holte Frank doch einen dritten Büro-Stuhl aus der letzten Zelle und schob ihn hinüber zu Professor Gothaer und Tristan. Er war überrascht über sich selbst, mit welcher Gelassenheit er seine Reise zur Kenntnis nahm. Vermutlich würden ihm das Erlebte und die Konsequenzen erst nach und nach klar werden. Seine Mutter hatte immer gesagt, er sei von Kindheit an etwas langsamer gewesen als Gleichaltrige. Dafür sei er stets gründlicher und planvoller vorgegangen, schob sie stets hinterher, um ihn gleich wieder zu trösten.
»Ich war tatsächlich in einer anderen Realität«, bestätigte er sich selbst, während er sich setzte.
Professor Gothaer beendete die Programme beider Rechner; Tristan setzte sich an die Tastatur und überprüfte, kopierte und löschte einige der Daten.
»Wir haben uns so spät nachts getroffen, damit wir nicht so lange suchen müssen, um einen Tristan Hartwig und einen Frank Miller im Tiefschlaf zu finden. Einen Transfer bei vollem Bewusstsein des Resonanzkörpers habe ich noch nicht durchgeführt. Das Risiko, dass etwas schief läuft, ist deutlich höher. Sie haben die Momente der Irritation gemerkt?«
Frank nickte.
»Wir müssen diese Momente auf einem möglichst niedrigen Niveau halten! Stellen Sie sich vor, Ihr Alter Ego steuert gerade einen Wagen, wenn Sie seinen Körper ersetzen. Die Sekunde der Irritation reicht aus, um einen Unfall zu verursachen. Auch haben wir bei Versuchen bereits festgestellt, dass sich Erinnerungsfragmente des Resonanzkörpers während des Tauschs ins eigene Bewusstsein einpflanzen und vermutlich ist es umgekehrt ebenso. Im Regelfall werden sie dann vermutlich für Träume gehalten.«
»Mir stellen sich so viele Fragen!«
»Fragen Sie sie! Einen Teil kann ich sicher beantworten!«
»Karen sprach davon, in die Vergangenheit zu reisen. Wie ist das möglich – ohne Resonanzkörper?«
»Oh, sie war sehr theatralisch und hat den Forschungsergebnissen etwas vorgegriffen. Im Moment ist keine Reise ohne Resonanzkörper möglich. Aber wie heißt es so schön? 'Wir arbeiten daran!' Und auch eine Reise in die Vergangenheit wird dann früher oder später glücken. Es ist, entschuldigen Sie das Wortspiel, allein eine Frage der Zeit. Ich hoffe nur, dass ich es noch erlebe.«
»Eine Reise ins Jahr 1889 nach Braunau am Inn ist also eher Karens Wunschdenken?«
»Im Augenblick: ja.«
»Es g-gibt gewiss auch neuralgischere Punkte«, meldete sich Tristan zu Wort, nachdem er die
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