Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
Villa.
Wie zwei durch die Stadt getriebene Schneisen wirkten die Nord-Süd- und die West-Ost-Trasse, die aus dem Luftraum betrachtet einem gigantischen Kreuz glichen. Südlich des Kreuzungspunktes: der Triumphbogen . Das Brandenburger Tor und der als Symbol des Sieges aus Paris hierher gebrachte Arc de Triumphe wären auch übereinander gestellt nicht einmal halb so hoch gewesen. Die Größe und Erhabenheit des Triumphbogens über sich, war hier im Jahre 1948 Winston Churchill, der letzte Ministerpräsident des besiegten Großbritanniens, am Strang hingerichtet worden, nachdem er nach kurzem Prozess in Nürnberg zum Tode verurteilt und dann die ganze Strecke von der westlichen Stadtgrenze zu Fuß und in Ketten durch skandierende Menschenmassen getrieben worden war.
All die Monumentalbauten sollten Eindruck und Ehrfurcht auf Einheimische und Besucher erwecken und erfüllten ihren Zweck. Bei ihrem Anblick fühlte sich der Betrachter klein, unwichtig, wie ein kleines Rädchen im Getriebe. Der Macht und der Größe des Deutschen Reiches hatten sich alle unterzuordnen: der Feind, die Welt, das Individuum.
Durch wessen Leid Germanias Glanz und Glorie entstanden war, wusste Frank nicht erst seit seiner Armeezeit im Osten des Reiches. Zu viele Menschen waren aus seinem näheren und weiteren Bekanntenkreis damals in Germania verschwunden, als dass er oder andere es für tatsächlich möglich gehalten hätten, diese wären alle 'umgesiedelt' worden. Wohin auch? Nur wenige waren zurückgekehrt. Wo sie gewesen waren? Darüber redete man nicht.
Dass die Wörter 'Sklave' und 'Slawe' ihren Ursprung im selben Wortstamm hatten, war ihm von Kindesbeinen an in Vorschule und Schule gepredigt worden. Die Jahre im Gotengau auf der Krim und in der Stadt des Endsiegs hatten ihm gezeigt, dass das Reich mit deutscher Gründlichkeit und Grausamkeit die Bedeutungen wieder zusammengeführt hatte. Der üblicherweise verwendete Begriff 'Zwangsarbeiter' verharmloste die inhumanen, brutalen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen im Osten.
All das schwirrte Frank im Kopf herum, als die Lufthansa-Maschine in ihren Landeanflug überging, und ihn überkamen starke Zweifel an der Durchführbarkeit ihrer Pläne.
Auch an seine Eltern dachte er. Er hatte ihnen telefonisch mitgeteilt, dass er für ein paar Tage in Germania wäre. Natürlich wollten sie ihn unbedingt sehen und Frank versprach, dass er versuchen würde, sich dafür Zeit zu nehmen.
Die Flughafenkontrolle nach der Landung war eher nachlässig. Sie war nichts im Vergleich zu dem, was Frank bei der einen zivilen Heimreise aus dem Osten erlebt hatte. Üblicherweise flogen die Soldaten mit Militärmaschinen zum Heimaturlaub, von denen zwei im Jahr genehmigt wurden. Die Lufttransportmaschine, die ihn und seine Kameraden nach Germania hatte bringen sollen, hatte einen Defekt gehabt. Da es sich zufällig ergab, dass eine Sondermaschine der Lufthansa auf dem nahe gelegenen zivilen Flughafen noch Plätze frei hatte, waren sie alle kurzerhand in diese befohlen worden. Frank hatte nach der Landung in der Hauptstadt seinen Koffer komplett auf einem Tisch entleeren müssen. Alles war betastet, durchwühlt und untersucht worden. Eine Porzellantasse, die er seiner Mutter als Geschenk hatte mitbringen wollen, war zu Bruch gegangen; darüber beschwert hatte er sich nicht. Er selbst hatte sich im Beisein von fünf uniformierten Sicherheitsbediensteten splitternackt ausziehen müssen. Sogar unter seine Zunge hatten die Uniformierten mit einer Taschenlampe geleuchtet, und seine Gesäßbacken hatte er mit den Händen auseinander ziehen müssen, damit auch dort kontrolliert werden konnte. Spätestens seit dem in letzter Sekunde vereitelten Terroranschlag auf die DEST-Türme im Jahre 2001 waren die Sicherheitsmaßnahmen extrem verschärft worden und schonten niemanden.
Bei den Flugzeugen, die aus dem Westen des Reiches kamen, schienen die Vorschriften weitaus laxer gehandhabt zu werden. Nur stichprobenweise wurden die Passagiere der gerade aus London angekommenen Lufthansamaschine kontrolliert. Tristan, der per Zufall bestimmt wurde, musste lediglich seine Schuhe ausziehen und wurde abgetastet. Er ertrug es geduldig. Die Speicherstäbe in der Innentasche seiner Jacke erregten weiter kein Aufsehen.
Mit einem Großraumtaxi fuhren sie danach zusammen zur Technischen Universität, in der sie für die kommenden Tage auch untergebracht waren und in der spätnachmittags noch ein kleiner, entspannter Empfang stattfinden

Weitere Kostenlose Bücher