Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
Schritt kam: dem Eingriff in die Vergangenheit.
Viel zu oft hatte er in seinem Leben schon Verantwortung von sich geschoben.
Dieses Mal wollte er sie endlich tragen!
Irgendwann fiel er in einen Schlummerzustand, in dem sich Realität und Gedankenspiele zu wirren Träumen verdichteten. Er sah seine Mutter, nackt, wie sie von Ärzten in weißen Kitteln untersucht wurde. Die Ärzte unterhielten sich in einer ihm unbekannten, vermutlich slawischen Sprache. Sie betasteten seine Mutter, als wäre sie ein Stück Vieh oder zu einem bloßen Gegenstand degradiert.
Er sah Germania in all seiner majestätischen Größe und Erhabenheit vom Flugzeug aus und im nächsten Moment Agrarflächen an der Stelle, an der sich die Reichshauptstadt befinden sollte. Bauernhöfe, Scheunen, Silos. Kühe und Schafe auf grünen Auen. So friedlich wie die Cotswolds.
Er sah Professor Gothaer, wie er an einem Tisch saß und gegen Adolf Hitler Schach spielte. Hitlers Bauern trugen alle NS-Uniformen, seine restlichen Figuren waren tote und lebende Parteigrößen: Göring, Goebbels, Mengele, Bormann, Freier, Tigov, Schillhuber. Der König selbst trug Hitlers Konterfei, Gothaers König das von Albert Einstein. An Einsteins Seite kämpften Planck und Heisenberg, als Einsteins Bauern erkannte Frank sich selbst, Karen, Tristan und Dieter und sie waren alle vier doppelt vertreten. Gothaer und Hitler saßen nur da, starrten auf das Schachbrett. Jeder wartete auf den ersten Schritt des anderen: eine Patt-Situation, noch bevor das Spiel begonnen hatte.
Und er sah seinen Tod, viele Male: Er starb auf der Krim im Kampf gegen Deserteure, er starb in der Stadt des Endsiegs im Häuserkampf gegen Aufständische, er starb mit einer Binde um die Augen im Kugelhagel von Kameraden, er starb im Kampf um die Normandie, er starb verbittert und gebrochen in einem Konzentrationslager, er starb schreiend unter bestialischer Folter durch die Gestapo, er starb ohne Sinn und Zweck, er starb wieder und wieder, wieder und wieder.
Waren das die Tode, die all seine Alter Egos erleiden sollten?
Und einer davon war der seine?
Im Halbschlaf hörte er die Stimme des Professors durch die Belüftungsschlitze des Sarkophags dringen.
Dann musste es inzwischen schon später Nachmittag sein.
Es lohnt nicht mehr , dachte Frank, in wenigen Stunden kommt auch Dieter wieder zurück. Meine Mission ist gescheitert, bevor sie angefangen hat. »Es waren so viele Menschen im Hörsaal, dass Ihr Fehlen nicht auffiel«, meinte Frank von draußen zu vernehmen, »nur die attraktive Brünette, die Ihnen bereits am ersten Abend solch schöne Augen gemacht hatte, hat nach Ihnen gefragt, Herr Hartwig. Ich habe ihr erzählt, Sie lägen mit einer Magenverstimmung im Bett, die Forelle aus der Gaststätte am Wannsee wäre Ihnen vermutlich nicht bekommen. Damit war sie zufrieden und zog von dannen!«
Jetzt nach Tristan und Gothaer rufen , überlegte Frank, aufgeben, mich befreien lassen, dann nichts wie raus aus dem dunklen Quader. »Sie wünscht Ihnen gute Besserung!«
»D-danke«, hörte er Tristan sagen, und dann, »da, Herr Gothaer, es ist soweit: Er schläft.«
»Schnell! Transfer! Jetzt!«
Um Frank herum: das ihm bekannte fluoreszierende Dunkelgrün der Metalllegierung.
Das war seine letzte Wahrnehmung.
Dass sich der Professor und Tristan erneut über das Flackern der Bildschirmanzeigen wunderten, hörte er nicht mehr.
Er hatte seine Reise angetreten, endlich!
Zwischenspiel
     
     
Am liebsten hätte er es der ganzen Welt hinaus geschrieen, aus seiner Kutsche heraus, mit der er sich nach Hause bringen ließ.
     
Claire Hellstein hatte 'ja' gesagt. Nein! Sie hatte regelrecht gejauchzt vor Freude.
     
Unendliches Glück, gemeinsam, unteilbar.
     
Claires Lächeln, ihre fröhlichen Augen, ihre sinnlichen Lippen, ihr wacher Geist, ihr scharfer Verstand, ihr wohlgeformter Körper.
     
Er konnte sich nicht entscheiden, was er am meisten an ihr liebte.
     
Es war der schönste Tag in Frank Millers Leben.
     
Und gleichzeitig sollte es auch sein vorletzter sein, doch das wusste er noch nicht.
     
Im Bett wälzte er sich hin und her, fand keine Ruhe.
     
Er dachte an die Hochzeit: er im schwarzen Frack, Claire im langen weißen Kleid, mit Schleppe. Ja, eine Schleppe sollte unbedingt sein. Je länger, desto besser. Und Blumen streuende Kinder. Die Enkeltöchter von Tante Ursel aus Schönow könnten das erledigen. Die Blütenblätter roter Rosen sollten den langen Weg über den Kirchhof und von den Kirchenportalen bis

Weitere Kostenlose Bücher