Alles bleibt anders (German Edition)
er.
Er folgte der Verkäuferin ins Ladeninnere, bezahlte die Fotografie und bestellte drei Abzüge.
In Gedanken bei Claire, das Bild in der Innentasche seiner Jacke wissend, verließ er den Laden wieder, und auch die Bahnhofshalle.
Noch ein wenig die Beine vertreten , dachte er, ja, das ist eine gute Idee. Zur Ruhe kommen. Heute bereits wieder zu Claire? Oder lieber früh zu Bett, den Schlaf nachholen? Ich darf mein restliches Leben nicht aus den Augen verlieren! Realistisch bleiben, Frank! Ziellos lief er in der Gegend um den Bahnhof umher und gelangte schließlich von Süden her wieder zur Bahnhofshalle zurück. Nur wenige Meter vom Hauptgebäude entfernt und doch verhältnismäßig verwildert, präsentierte sich das Gelände neben den Gleisen. Von den Bahnsteigen aus nur schwer einzusehen, ging Frank an Büschen und Sträuchern entlang, die verzweifelt versuchten, ihr ehemaliges Territorium für die Natur zurückzuerobern. Grillen zirpten, als wollten sie der Sonne für den vergangenen heißen Frühlingstag danken und 'Auf Wiedersehen' sagen, 'Auf Wiedersehen, bis morgen'.
»Was suchst du hier, Frank Miller?«, dröhnte eine Stimme hinter Frank.
Er drehte sich um, glaubte einen Kommilitonen aus dem Studium zu erkennen.
Einen Kommilitonen, zu dem er eigentlich so gut wie keinen Kontakt hatte.
»Dieter Wiegand?«
»Tu nicht so überrascht!«
»Ich verstehe nicht!«
»Da sind wir schon zu zweit. Ich habe den ganzen Tag nach dir gesucht, dich endlich, eher zufällig in der Charité, am Arbeitsplatz meines eigenen Alter Egos entdeckt. Was hast du da den ganzen Tag über gemacht? Wieso fährst du quer durch die Stadt, um dir ein Foto zu holen und dann spazieren zu gehen? Wir sollten doch Informationen über diese Ebene in Erfahrung bringen!«
»Informationen? Welche Informationen?«
»Egal. Du wirst sowieso nicht zurückkehren!«
»Zurückkehren? Wohin?«
»Gib mir den Signalgeber!«
»Wen?«
»Den Signalgeber! Wo hast du ihn?«
Dieter näherte sich bedrohlich.
»Was willst du von mir?«
Der zischende Dampf einer sich nähernden Lokomotive übertönte das Zirpen der Grillen. Ein quietschendes Geräusch, Räder, die zum Stehen kamen und auf den Gleisen entlang schliffen, kündigten einen heran nahenden, abbremsenden Zug an. »Du weißt genau, wovon ich rede!« Dieter gab Frank einen Stoß. Frank fiel nach hinten in einen Strauch, während Dieter ein Halskettchen aus seinem Hemdkragen zog. Sich wieder aufrappelnd, starrte Frank auf das hin und her pendelnde silberne Medaillon. »Was ist das?« »Verdammt noch mal, Frank, du wirst mir deinen Signalgeber aushändigen, ist das klar?«
Er packte Frank am Kragen, versuchte dessen Hemd aufzureißen. Frank wehrte sich. Er griff nach Dieters Handgelenken, wollte sich von Dieter befreien, doch dieser ließ nicht locker. Frank machte einen Ausfallschritt zur Seite, doch auch diese Bewegung reichte nicht aus, um Dieters Hände zu lösen. Ganz im Gegenteil. Franks Hemd riss in drei Stücke, Rückenteil und Ärmel verblieben an Franks Körper, die beiden Brustteile des Hemds hielt Dieter fest, während er wütend auf Franks bloßen Oberkörper starrte.
»Wo hast du ihn? Sag es mir!«
Er folgte Frank, der einen weiteren Schritt zur Seite machte.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!«
Dieter zog ein Messer.
»Zum letzten Mal: Gib ihn mir!«
Frank stolperte, er war am Gleiskörper angelangt.
Ein großer Schatten legte sich über die beiden Streitenden.
Sie rissen ihre Köpfe herum. Schwarz und unheimlich, einem Feuer spuckenden Drachen gleich, war die Lokomotive heran, hellgrauer Dampf stob aus ihrem Rauchabzug. Im Bremsen begriffen näherte sie sich, und war dennoch viel zu schnell. Frank griff nach Dieter, um sich an ihm festzuhalten und sich von den Gleisen zu ziehen. Zu spät, während Dieter sich, von der Gefahr weg, nach hinten warf, bekam Frank gerade noch das Medaillon zu fassen.
Danach rammte die Lokomotive seinen Körper und zerschmetterte ihn.
Seit seine Liebste Frank gesagt hatte, sie wolle seine Frau werden, waren nicht einmal vierundzwanzig Stunden vergangen.
III.
Ein neuer Frühling wird in die Heimat kommen,
schöner noch, wie's einmal war.
Ein neuer Frühling wird in die Heimat kommen,
alles wird so wunderbar.
Und man wird wieder das Lied der Arbeit singen,
g'rade so, wie's einmal war.
Es geht im Schritt und im Tritt
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