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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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blicken ließ, bevor er mit dem Dekorieren fortfuhr.
»Wie resolut du geworden bist! Als wir noch Kinder waren, haben wir immer gespielt, was ich vorgeschlagen hatte. Du hast nie widersprochen. Deine Eltern hatten sich damals schon Sorgen darüber gemacht, wie mir deine Mutter später erzählte. Wollte ich nach draußen gehen, dann sind wir nach draußen gegangen; wollte ich in der Wohnung spielen, dann haben wir in der Wohnung gespielt. Also gut, dann fange ich mit der Erzählung an. Du hast dich ganz schön verändert, Frank Miller. Und ich bin sehr froh darüber.«
Frank hatte Vertrauen zu Karen gefasst. Trotz aller Skepsis: Er wollte sich möglichst unbefangen anhören, was sie zu sagen hatte, welche Erklärung sie ihm für sein ureigenes Dilemma bot.
»Es gibt zwei Welten, die ab einem bestimmten Zeitpunkt der historischen Entwicklung anders verliefen. In beiden gibt es eine Karen Degner und einen Frank Miller.«

2
     
    Karen begann mit ihrer und Franks gemeinsamer Kindheit. Sie holte weit aus, kramte vergessen Geglaubtes aus ihrem Unterbewusstsein und gab einige Anekdoten zum Besten, die Frank schmunzeln und manchmal auch verhalten lachen ließen. Das eine oder andere Mal drehte sich der Messner mit strengem Blick zu den beiden um, sprach sie aber nicht an, denn schließlich störten sie niemanden. Und Gott hatte ja nie gesagt, dass man in seinem Hause nicht lachen dürfe.
Wie eine Reihe von Dominosteinen, deren vorderster Stein angestoßen wird, und nach und nach für das Umkippen aller hintereinander stehender Klötze verantwortlich ist, kehrten mit Karens Worten Bilder und Erinnerungen zu Frank zurück. Die einen vage und verschwommen, die anderen klar und deutlich. Immer mehr wurde ihm bewusst, dass es tatsächlich seine Vergangenheit war, die Karen vor ihm ausbreitete und nicht etwa die Geschichte eines Fremden. Fräulein Wolf kam ihm in den Sinn, seine Kindergärtnerin, ihr langes, rotes, sprödes Haar – und Andreas, Raimund und Ralph, mit denen er im Alter von vierzehn Jahren im HJ-Sommerlager an der Ostsee gewesen war.
HJ …
Er erinnerte sich an andere Kürzel: Gestapo, SS, NSDAP.
Die NSDAP! Das Hakenkreuz! Der Artikel, den ihm Dr. Hohmann, der Psychiater, vorgestern gezeigt hatte! Dieter Wiegand! Irritierend und verdächtig.
Franks Gedanken schweiften ab zu Claire und ihrem unbekannten Schicksal. Er musste alles erfahren. Alles über die Ursache seiner Misere, alles über die fehlenden Zusammenhänge, alles über Dieter Wiegand. Nur so konnte er sinnvoll und strategisch vorgehen, deswegen unterbrach er Karen nicht.
Mit dem Ende der Jugend verschwand auch die Unbekümmertheit und Heiterkeit aus Karens Schilderungen.
Sie wiederholte, was Frank ihr selbst in Oxford berichtet hatte, über seine Militärzeit, seinen Dienst auf der Krim und in der Stadt des Endsiegs. Die Erinnerungen, die das in Frank hervorrief, ließ ihn schaudern und erbleichen. Hätte er die Wahl gehabt, er hätte auf diesen Teil seiner Vergangenheit nur allzu gerne verzichtet.
An seinem Interesse für die Medizin erkannte er erste Parallelen zum Lebenslauf des Frank Miller, der in dieser Welt gelebt hatte. Dann sprach sie von ihrem Wiedersehen in Oxford, erläuterte in wenigen Worten die Chaostheorie, erzählte vom Flügelschlag des Schmetterlings, der alles verändern konnte und nichts.
Sie enthüllte verschollen gegangene Bilder in Franks Bewusstsein, von dem Mann mit der auffälligen Brille, der für all das hier verantwortlich war: Professor Robert Gothaer.
Der Name 'Dieter Wiegand' fiel.
Frank stockte der Atem, doch er schwieg.
Dann, als Karen weiter sprach, tauchte Tristan, der blonde Hüne, in Franks Gedanken wieder auf.
Ebenso die metallenen Sarkophage und die Platten, die sich aus ihnen herausschoben. Als er kurz die Augen schloss, kehrten auch das fluoreszierende Grün und dessen Ursache, die Quarz/Nickel-Legierung, in sein Bewusstsein zurück.
»Du bist verhaftet worden, beim Abendessen, von der Gestapo«, fiel ihm plötzlich ein.
»Später.«
Dass sie eine alternative Realität gesucht hatten, eine parallele Welt ohne den Nationalsozialismus, brachte sie zur Sprache und dass sie letztendlich fündig geworden waren, dort im Keller eines verlassenen Bürogebäudes am Westhafen in einer Stadt, die die gleiche wie hier und doch eine völlig andere war.
Ihre Messungen hatten zwei Ergebnisse geliefert. In der einen Welt hatte sich die Geschichte ab 1399 anders entwickelt als in der eigenen, in der anderen war der entsprechende

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