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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
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nicht darauf ein.
»Und davor, Frank? Was war davor? Vor dem Sonntag?«
»Das ist exakt die Frage, die ich mir seither stelle! Ich dachte, du könntest sie mir beantworten!«
»Du erinnerst dich an gar nichts, was vor dem Sonntag passierte!«, erkannte sie.
»Einzelne Fragmente, meine Mutter, mein Vater, ich als Kind auf meinem ersten Fahrrad ohne Stützräder, bei uns im Hinterhof in der Großbeerenstraße«, er zögerte kurz, da er Angst hatte vor den Erklärungen, die Karen für ihn parat haben mochte, »ein Ausflug an den Müggelsee – mit Claire.«
Die Worte, die er bereits befürchtet hatte, sprach Karen leise aus.
»Du hast nie in einer Großbeerenstraße gewohnt, Frank, wir sind beide in derselben Straße aufgewachsen, in der Winterfeldtstraße.«
»Aber die Erinnerung …«
»Es ist nicht die deine!«
»Aber: Claire!«
»Wer ist Claire?«
Karens Frage klang scharf und schneidend in Franks Ohren.
»Ich liebe sie. Ich meine, ich habe sie geliebt.«
Er berichtigte sich noch einmal, flüsternd und niedergeschlagen: »Frank Miller hat sie geliebt!«
Endlich hatte sie den Mut gefunden, Frank in die Arme zu schließen. Körperkontakten war sie immer ausgewichen. Schon als Kind hatte sie selbst Umarmungen und Liebkosungen ihrer Eltern vehement zurück gewiesen. Doch sie spürte, dass dies der Zeitpunkt war, da Frank ihre körperliche Nähe brauchte. Sie drückte Frank an sich und seine ganze Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle erlosch. Schlaff sank er in sich zusammen.
» Sie sind nicht Frank Miller «, wiederholte er Claires bittere Worte, »sie hatte Recht.«
»Nun«, tröstete Karen, »es ist zumindest die halbe Wahrheit.«
»Was ist mit uns?«, fragte Frank. »Mit dir und mir! Als du eben auf mich zukamst, erinnerte ich mich an uns, wie wir gemeinsam in einem Kinderbuch lasen, Erdbeerbowle tranken und lachten.«
»Daran erinnerst du dich?«, lächelte sie. »Es ist deine wahre Vergangenheit.«
»Wie soll ich sie von der falschen unterscheiden? Es ist alles so verwirrend!«
»Die Zeit wird dir helfen. Du wirst erkennen, was zu dir gehört und was zu dem anderen Frank Miller.«
Karen wünschte, sie hätte etwas zuversichtlicher geklungen.
»Das sind nur tröstende Worte«, erkannte er. »In Wahrheit weißt du nicht, was in mir geschieht, oder?«
»Nein«, sagte sie ehrlich, »ich weiß es nicht!«
»Und du, Karen? Hast du auch Erinnerungen an eine andere Karen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Auch das weiß ich nicht. Ich hoffe, wir werden es erfahren.«
Ein in eine weiße Soutane gekleideter Messner betrat die Kirche durch ein Seitenportal. Er schleppte einen wuchtigen Korb voller verschiedener Blumen mit sich.
Sein Blick glitt durch das Kirchenschiff, verharrte kurz verwundert auf dem Mann und der Frau, die dort in einer der Bankreihen saßen und sich gerade voneinander lösten.
Die Situation zu erkennen glaubend, sah er rücksichtsvoll zur Seite. Er ging zum linken der beiden Seitenaltäre und stellte seinen Korb ab. Dann verneigte er sich kurz vor der Marienstatue auf dem Altar, bekreuzigte sich und begann, den schlichten steinernen Altar mit Blumen zu schmücken.
Karen beobachtete den Messner und bemerkte dann, dass Frank seine Hände wieder wie zum Gebet gefaltet hatte.
Frank folgte ihrem Blick, fühlte sich ertappt und trennte die unbewusst in diese Stellung gebrachten Hände wieder voneinander.
»Du hast dich zwar früher schon für Religion interessiert, aber ich habe nie gesehen, dass du gebetet hättest.«
»Ich habe gespürt, welche Kraft das Gebet Claire gegeben hat.«
»Immer wieder diese Claire. Frank, wir haben beinahe die ganze Jugend gemeinsam verbracht. Du hattest dich weder für mich noch für andere Frauen interessiert. Nicht, dass ich traurig darüber gewesen wäre. Ich konnte dieses verliebte Herumscharwenzeln unserer Altersgenossen damals ja auch nicht nachvollziehen.«
Sie nahm seine Hand in die ihre.
»Du hast nie von jemandem gesprochen, so wie du von Claire sprichst. Mit diesem Glanz in deinen Augen. Du kennst sie gerade mal ein paar Tage. Ich bin überrascht!«
»Ich kenne sie viel länger, Karen, vergiss das nicht. Frank Miller kennt sie bereits viel, viel länger.«
»Erzähl mir von ihr. Und erzähl mir, was seit Sonntag geschehen ist.«
Frank zog seine Hand zurück.
»Nein, Karen, du hast von einer 'halben Wahrheit' gesprochen. Es ist meine Vergangenheit und ich habe ein Recht darauf, die ganze Wahrheit zu erfahren.«
Karen lachte auf, was den Messner kurz über die Schulter

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