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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Meinke
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Luft, als sie fertig war. Dann legte ich sie in ihr Kinderbett, das neben Borstes großem Bett stand. Es ist sehr intim, im Schlafzimmer anderer Menschen zu sein. Wegen dem Schweiß in den Laken und der ganzen Schmutzwäsche. Ich strich ihr über die Stirn. Sie kuschelte sich an einen rosa Plüschelefanten und schlief kurz darauf ein.
    Ich stand eine Weile vor dem Kühlschrank, an dem krakelige Kinderzeichnungen, Flyer von Lieferservices und Ähnliches hingen. Vier aufeinanderfolgende Gedanken beschäftigten mich.
    Der erste war die Frage, ob Borste sein früheres Leben wirklich abgehakt hatte.
    Der zweite Gedanke war, dass er das natürlich nicht getan hatte. Schließlich verkaufte er mir Stoff und ging auf Partys von Bikern.
    Der dritte war, dass ich nun Teil seines jetzigen – und damit auch seines früheren – Lebens geworden war.
    Und der vierte war, dass mein Umfeld das auf keinen Fall erfahren durfte. Denn so konnte es nicht weitergehen. Ich war dabei, mich so tief in diese Geschichte zu verstricken, dass ich so schnell nicht mehr herauskommen würde.
    „Hi Nick. Ich bin wieder da.“ Borste rüttelte sanft an meinem Arm. Ich war total groggy. Er hatte mich zu einem Zeitpunkt geweckt, als ich tief und fest auf dem Sofa schlief.
    „Ah. Und wie ist es gelaufen?“
    „Das Essen war hervorragend“, antwortete er. „War Ginger brav?“ Keine sehr angemessene Frage, fand ich. Sie war drei Jahre alt. Machte erst seit Kurzem nicht mehr in die Windel. Sie war halt, wie sie war.
    „Sie ist richtig süß. Wir hatten es nett.“ Ich stand auf und zog mir die Schuhe an.
    „Borste? Du hast doch bestimmt noch ein bisschen Pot, oder?“
    „Klar, sicher. Wie viel brauchst du?“
    „Na, ich denke, so dreißig, vierzig Gramm kann ich schon verticken.“ Er ging in die Küche, kramte in einem Schrank und kam mit einer Plastiktüte zurück.
    „Gutes holländisches Purple Haze. Ich kriege fünfundfünfzig pro Gramm.“ Er machte sich daran, es abzuwiegen. Das Zeug hatte eine andere Konsistenz als sein eigenes Pot.
    „Meld dich einfach, wenn ich mal wieder auf Ginger aufpassen soll, ja?“ Ich war ein bisschen wehmütig, als ich mich verabschiedete. Beim Rausgehen erhaschte ich noch einen kurzen Blick auf sie und ihren rosa Elefanten.
    Konnte ich technisch gesehen mit Liv zusammen sein? Wenn ich mir abends in meinem Bett vor dem Einschlafen einen runterholte, dachte ich meistens an irgendetwas Geiles, das ich mal angestellt hatte. Beispielsweise an das Mal, als ich bei der Weihnachtsfeier von Mateus’ Basketballverein oben bei den Grabhügeln im Mondschein mit Fie gebumst hatte, oder als ich zum ersten Mal Cathrine mit C flachlegte – mit der ich zwei Monate lang zusammen gewesen war. Aber mit Liv?
    Sie tauchte in diesen Träumen nie auf. Nie warf sie ihren Kopf in Ekstase nach hinten, nie holte sie mir einen runter. Ich hatte es versucht – natürlich hatte ich das –, aber irgendwann verlor ich die Konzentration und dachte an etwas, das sie gesagt hatte. Das Problem hatte ich längst analysiert: Es war genau der Augenblick, in dem sie sich ausziehen musste. Dazu konnte ich sie nie bringen. Dafür reichte meine Fantasie ganz einfach nicht aus.
    Ich überlegte, ob ich sie anrufen sollte, aber es war Mitternacht und ich hatte keinen besonderen Grund. Also schickte ich ihr nur eine SMS – und wünschte ihr Gute Nacht, ohne eine Antwort zu bekommen.
    Als ich einschlief, tauchte Ginger vor meinem inneren Auge auf.

Auf dem Abstellgleis
    Ich traf Mateus erst zwei Tage später. Veronica und er waren zum Heringsessen und Fotos gucken bei Mateus’ Vater gewesen, und erst am Sonntag war eine Lücke frei. Wir trafen uns bei ihm. Zu Hause hielt ich es nicht aus. Dort lief ich Gefahr, Joakim zu begegnen. Etwas nüchterner betrachtet sah ich schon ein, dass Joakim nicht wirklich gewalttätig war, aber das hieß nicht, dass ich ihn deswegen besser leiden konnte. Außerdem war die Atmosphäre zwischen meinen Eltern so frostig, dass einem beim Pinkeln fast der Strahl gefror. Meine Mutter hatte sich in die Opferrolle begeben und sah aus, als wäre alles furchtbar schwer für sie. Mein Vater besaß die Nerven, einfach auf dem Sofa hocken zu bleiben. Passiv, aber unterschwellig aggressiv. Ich hielt mich da raus. Mein Vater würde ohnehin in die Wohnung zurückziehen, die er noch immer in Manchester gemietet hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden „erwachsenen Menschen“ zu diesem Entschluss gelangten. Ein bisschen

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