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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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    »Sie werden doch verstehen«, sagte Nathanael Weiß zu Mugler, während ihm die Frau den vorderen Teil der Hose herausschnitt, »dass wir das Geld brauchen – es muss der Gesellschaft zurückgegeben werden. Also sollten uns alle Kontonummern, Zugangscodes und so weiter zur Verfügung stehen. Das wird Ihnen nicht gefallen, es ändert aber nichts an den Tatsachen. Wir machen jetzt eine kleine Demonstration, sagen wir, fünf Minuten oder so, dann reden wir ernsthaft über die Sache.«
    Zehn Minuten später hatten die beiden Freischöffen einen kompletten Überblick der Mugler’schen Vermögensverhältnisse.Das Abräumen der Konten nahm einige Zeit in Anspruch, konnte aber von Muglers durchcomputerisierter Penthousewohnung aus erledigt werden; die Frau erledigte das, nicht ohne Konrad Mugler mit großer Eindringlichkeit darauf hinzuweisen, dass sie bei der ersten falschen Angabe heruntertelefonieren und der Polizist den Gasbrenner wieder anzünden würde. Konrad Mugler verstand das sehr gut, es gab keine Probleme mit den Codes. Er hatte auch andere Sorgen als das Geld, was Nathanael Weiß veranlasste, hinaufzutelefonieren.
    »Komm runter«, sagte er, »wir haben hier ein Problem.«
    »Herrn Mugler geht es nicht so gut«, sagte er, als sie hereinkam. Sie beugte sich zu Mugler hinunter, der immer noch unter dem Tisch lag. Das Gesicht kalkig und schweißnass, die Augen hatte er weit aufgerissen, aus dem wieder zugeklebten Mund konnte kein Laut entkommen, aber Mugler sah nicht so aus, als sei er noch zu verständlichen Äußerungen fähig. Nicht einmal zum Wimmern.
    »Wahrscheinlich ein Kreislaufversagen …« Die Frau sah bekümmert aus. »Vom Schock. Bei Blässe soll man doch die Beine hochlagern, wenn ich mich richtig erinnere. Wir hatten das im Erste-Hilfe-Kurs …«
    »Du erinnerst dich richtig. Ich fürchte nur, für Herrn Mugler wird Beine-Hochlagern nicht reichen. Ich hab’s übertrieben, glaub ich … Ich kenn mich ja auch nicht aus mit dem Ding …«
    »Mach dir deswegen keinen Kopf! Wir sind ja beide Laien, ich hätte das überhaupt nicht …« Sie verstummte.
    Bis jetzt war alles nach Plan gelaufen, die nicht vorhergesehene Reaktion Muglers drohte ebendiesen Plan zu gefährden. Nathanael Weiß kannte aber solche Situationen; seine Jahre bei der Polizei hatten ihn gelehrt, dass auch nach noch so vielenEinsatzübungen im Ernstfall etwas schiefgehen kann und auch schiefgeht. Sie besaß diese Erfahrung nicht. Die Belastung war ihr anzusehen, Sorge um den Verlauf der Operation; sie war fast schon so blass wie Konrad Mugler, der keinen Laut mehr von sich gab. Sie stand auf und machte Platz für Nathanael Weiß. Der brauchte nicht lang für den Befund.
    »Er ist tot«, sagte er.
    »Und was machen wir jetzt? Wie bringen wir ihn runter? Er hätte doch selber gehen sollen …« Weiß hörte die Panik in ihrer Stimme.
    »Beruhige dich!«, befahl er mit lauter, aber keineswegs schreiender Stimme, legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Alles Glück kehre ein …«, sagte sie.
    »… wo die freien Schöffen sein. Genau so ist es. Daran halten wir uns! Solche Sachen kommen vor: Alles, was schiefgehen kann, geht schief – aber nicht jedes Mal! Es ist halt kein Spaziergang … Wir tragen ihn runter, in irgendwas eingewickelt, lass mich nur machen, das wird schon.«
    Warlam Edmundowitsch Lemonow bekam im Klo von diesen Entwicklungen nichts mit. Als die Tür aufging, versuchte er sich aufzurichten. Der Polizist schnitt mit einem Seitenschneider die Fessel zwischen Händen und Füßen durch, dann hielt er ihm eine kleine blaue Flamme vors Gesicht.
    »Hören Sie, Warlam Edmundowitsch«, sagte er, »halten Sie nicht auch den Gesichtssinn des Menschen für sehr wichtig? Nicken Sie, wenn Sie mir zustimmen!« In Warlams Blick lag blankes Unverständnis.
    »Ach so, entschuldigen Sie – Gesichtssinn ist auch ein ungebräuchliches Wort – ich will nur wissen: Sind Ihre Augen für Sie wichtig?« Warlam nickte mit einer gewissen Begeisterung.
    »Dann werden Sie jetzt weder schreien noch sonst Blödsinn machen – Sie wissen, was Blödsinn heißt?« Warlam gabnickend kund, dass ihm die Bedeutung des Wortes Blödsinn geläufig sei.
    »Sonst zerstöre ich mit dieser Flamme Ihr linkes Auge, bei der zweiten Übertretung das rechte. Haben Sie das verstanden?« Warlam nickte. »Ich spüre da ein gewisses Zögern«, sagte Weiß. »Verständlich. Ich bin Polizeibeamter, das wissen Sie ja und denken sich, ein Polizist würde so etwas

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