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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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sicher fühlen. Warlam erledigte sozusagen den Parteienverkehr, von den meisten Besuchern bekam Konrad Mugler gar nichts mit. Auch die Türglocke erschallte nur bei Lemonow, die Wohnungen waren nicht verbunden, wenn Mugler auch eine Zeitlang erwogen hatte, den Boden durchbrechen und eine Wendeltreppe einbauen zu lassen. Aber dann hätte er den ganzen Vorzimmerkram akustisch mitbekommen, die Telefoniererei, die Gespräche der Besucher, das wollte er nicht. Also erledigte Warlam die Alltäglichkeiten, ohne den Chef zu behelligen, nur bei wichtigen Sachen benützte er die Gegensprechanlage nach oben.
    Polizei war wichtig.
    Auf dem Bildschirm erschien ein Uniformierter, dahinter stand eine Frau. Man wolle Herrn Mugler sprechen, ließ die Uniform wissen, Warlam drückte den Türöffner. Polizei immer gleich hereinlassen, war ihm eingeschärft worden, keine Debatten, kein blödes Gerede. Er trat aus der Wohnung auf den Gang hinaus. Aus dem Lift trat dieser Weiß, hinter ihm eine unscheinbare Frau. Den Weiß kannte er als Vizechef der Polizeiinspektion, wenn der selber kam, war es etwas Gravierendes. Weiß machte einen ernsten Eindruck, fragte wieder nach Mugler. Warlam wusste, was er zu tun hatte. Keine Spielchen. Er bat die beiden mit einer Handbewegung in seine Wohnung, sprach mit Mugler über die Anlage.
    »Herr Mugler kommt gleich herunter«, sagte er. Der Akzent war kaum zu hören. Nach einer Minute erschien Konrad Mugler in der offen stehenden Tür, die er beim Eintreten hinter sich zumachte. Mugler sah Weiß, die Frau und eine längere Debatte vor sich, irgendeine Beschwerde, in die er nur hineingezogenwurde, weil jemand geredet, ihn in Verbindung gebracht hatte. Eine ernste Sache; nicht wegen der Beschwerde dieser Frau, die den typischen Zug selbstgerechter Verbitterung im Gesicht hat, wie das hierzulande häufig bei Frauen mittleren Alters zu sehen ist, sondern wegen des Redens. Mugler konnte sich nicht vorstellen, welcher Art die Beschwerde sein konnte, nur dass es eine war, wusste er. Die Anwesenheit der Frau war nicht anders zu erklären. Jetzt gab sie Warlam etwas, aber der beachtete sie nicht, sah nicht, dass ihm die Frau etwas in die Hand drücken wollte, nein, das wollte sie nicht; nicht in die Hand drücken, sondern in die Seite drücken auf Höhe der Niere, ein Schlag ging durch Warlam, ein Seufzen kam noch, es klang wie ein Furz, dann brach er zusammen. Konrad Mugler blickte in die Mündung einer großkalibrigen Pistole, die dieser Weiß in der Hand hielt. Der sagte nichts, machte nur die Gebärde des Umdrehens mit der anderen Hand. Was die Frau mit dem Russen machte, konnte er nach dem Umdrehen nicht sehen.
    »Wenn das ein Scherz sein soll, ist er nicht lustig«, sagte er. »Ein Elektroschocker – das ist doch Körperverletzung, oder?«
    »Ja«, sagte die Frau und setzte ihm den Schocker in den Nacken.
    Als er wieder zu sich kam, war Konrad Mugler mit Plastikbändern gefesselt, die tief in die Handgelenke auf seinem Rücken einschnitten. Um den Kopf lief Klebeband, das den Mund verschloss. Warlam sah genauso aus. Nur lag der auf dem Bauch, Mugler lehnte an der Wand.
    »Wir machen jetzt einen kurzen Spaziergang«, erklärte der Polizist, »aber erst müssen wir das Finanzielle regeln.« Er öffnete die Tasche, die Konrad Mugler erst jetzt auffiel. Die unbekannte Frau hatte sie mitgebracht. Eine große, braune,hässliche Einkaufstasche. Der Polizist nahm ein kleines Gerät heraus, etwa winkelförmig mit einem Handgriff. »Für Crème brulée«, sagte Weiß, »sehr praktisch, funktioniert mit Flüssiggas.« Er schaltete ein, eine kleine, blaue Flamme erschien an der abstehenden Spitze des Apparats.
    »Damit wird die Creme wirklich sehr gut«, erzählte die Frau. »Ich habe es früher mit dem Grill probiert, aber das ist nichts, es entsteht einfach zu wenig Hitze, der Zucker karamellisiert zu spät, die Creme darunter wird dann wieder flüssig, die ganze Mühe war umsonst!«
    »Und das wollen wir doch nicht«, sagte Weiß. Er drängte Mugler ins Wohnzimmer der kleinen Wohnung, stieß ihn unter den Tisch und band ihm die Knöchel mit Plastikbindern an den Tischbeinen fest.
    »Es ist immer besser, wenn man die Sachen gleich richtig angeht und nicht mit Kompromissen herumdoktert«, sagte Weiß.
    »Da hast du hundertprozentig recht«, sagte die Frau. »Habt ihr hier irgendwo eine Schere? – Ach ja, hab sie schon!« Sie hatte die Schubladen in der Küche aufgezogen und in der zweiten die Schere

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