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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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gemacht – diese etwas merkwürdige und ungesunde Art Spaß, die Männer mittleren Alters ankommt, wenn sie versuchen, ihre Jugend nachzuholen, die sie als Stubenhocker vertan hatten. Ingomar kannte das von Kollegen, die mit fünfundvierzigdas Wasserskifahren und Bergsteigen anfingen, wofür ihre schwimmreifenbewehrten Körper nicht mehr recht taugten; es gab dann wochenlange Krankenstände aufgrund diverser Unfälle. Er hatte diese Leute immer verachtet und sich erhaben gefühlt; aber als Weiß ihm sagte, er müsse Karasek auf irgendeine Art in den Wald locken – da hatte ihn das Jagdfieber ergriffen … Sagt man Jagdfieber , wenn es sich um noch nicht einmal pubertäres, sondern kindliches Verhalten handelt? In den Wald locken, du meine Güte! Er schüttelte den Kopf. Ja, er hatte das getan. Karasek in den Wald gelockt … wenn man das so nennen wollte. Der Stadtrat brauchte nicht lang gelockt zu werden, er ging oft joggen, Ingomar auch, er war ihm begegnet und hatte eine andere Route gewählt, um weitere Begegnungen zu vermeiden. Weder Karasek noch Ingomar liebten die Finnbahn an der Ach, die von Krethi und Plethi benützt wurde; sie liefen weit ins Ried hinaus, obwohl der Boden der Feldwege nicht so angenehm war wie der Rindenmulch auf der ausgewiesenen Joggingstrecke. Mit Locken war nichts gewesen, mit Wald auch nicht; Karasek lief dienstags und donnerstags immer dieselbe Strecke durchs Ried, gegen sechs lief er los, Sommer wie Winter, jetzt im Herbst trug er eine Stirnlampe. Weiß hatte das Auto auf einem Seitenweg abgestellt. Ingomar trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Er müsste längst da sein. Wenn er um sechs losgelaufen ist …«
    »Nur die Ruhe. Geduld. Die wichtigste Charaktereigenschaft bei der Polizei.« Ingomar sagte nichts mehr. Zwei Minuten später hörten sie das Getrappel von Laufschuhen auf kiesigem Boden. Es hallte weithin. Weiß trat aus der Deckung, machte die Taschenlampe an, richtete den Strahl auf den Boden. Der Läufer kam näher, hob die Hand, als er angeleuchtet wurde.
    »Ist er das?«, fragte Weiß.
    »Das ist er«, sagte Ingomar. Weiß hob die Pistole, es machte plopp! und der Stadtrat Karasek stürzte der Länge nach auf den staubigen Feldweg.
    »Holen Sie den Wagen«, sagte Weiß. Kranz rannte die zehn Meter zu seinem Auto, fuhr bis neben die Leiche. Wenn jetzt jemand kommt, dachte er, haben wir ein großes Erklärungsproblem. Was wir da machen? Wir laden die Leiche des Stadtrats Karasek in den Kofferraum. Ja, Herr Chefinspektor Weiß hat ihn soeben erschossen, ja, musste sein, leider, der Karasek war eine korrupte Sau … Haben Sie sich auch schon immer gedacht, da schau her! Ja, einer muss es ja machen, der Krug geht so lang … Ganz genau, so ist es … Wie? In die Tierkörperverwertung nach Altach? Wo denken Sie hin … Dort sind überall Kameras, da können Sie nicht einmal eine tote Maus entsorgen ohne Genehmigung … Nein, wir schmeißen ihn in den Gärturm der ARA Dornbirn, das ist die kommunale Abwasser… Wie meinen? Da passt er hin? Ach so, als Kommunalpolitiker, ha, ha, ha, der ist gut, wirklich! Ja dann, wir müssen … Ja … Ihnen auch einen schönen Abend …
    »Worauf warten Sie?«
    Ingomar kam aus der Gedankenflucht in die Wirklichkeit zurück. Er bückte sich und packte den Stadtrat an den Handgelenken. So hatten sie es abgesprochen. Weiß nahm die Füße, sie wuchteten den Leichnam in den Kofferraum des Audi. Ingomar hatte ihn mit mehreren Lagen dicken Packpapiers ausgelegt. Sie stiegen ein und fuhren zur ARA. Es war nicht weit. Auf dem Weg begegnete ihnen niemand. Kein Jogger, kein Spaziergänger, kein Liebespaar, keine Gruppe Jugendlicher auf der Suche nach Gelegenheit, Straftaten zu begehen.
    »Warum ist niemand gekommen?«, fragte er. Er fuhr langsam, kaum dreißig.
    »Wie meinen Sie das? Wer hätte kommen sollen?«
    »Irgendwer, egal. Jemand halt. Ein Zeuge, der uns nachher reinreitet.«
    »Ach so! Ich weiß schon: Die Pläne gehen alle schief. Im Fernsehen … Sie haben das x-mal gesehen … Die Leute machen einen Plan und dann passiert etwas Unvorhergesehenes, und alles kommt ganz anders als gedacht. Erzeugt Spannung, ich verstehe das schon. Mit der Wirklichkeit hat es kaum was zu tun.«
    »In Wirklichkeit gehen diese Pläne nicht schief?«
    »Wann ist Ihnen, Herr Kranz, das letzte Mal etwas richtig schiefgegangen, voll in die Hose, wie man sagt?«
    »Im Beruf oder privat?«
    »Ich rede vom Beruf, ganz recht.« Ingomar dachte nach.
    »Eigentlich noch

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