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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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bis zu diesem Zeitpunkt nicht mitbekommen hatte, weil sie die Tageszeitung beim Frühstück nur überflog, und zweitens von der Sorge Gebhards, dessen Kredit nicht nur bei derselben Bank lief wie der des unglücklichen Mehrfachmörders, sondern auch dieselbe vermaledeite Konstruktion aufwies. Endfälliger Schweizer-Franken-Kredit mit einem Aktienfonds als Tilgungsträger. Es sei, sagte er, nur eine Frage der Zeit, bis die Henker von der Bank an seine Tür klopften. Seine Frau schüttelte den Kopf, hatte sich zurückgelehnt und machte hinter seinem Rücken ihrer Schwester entschuldigende Zeichen, er übertreibt , sollte das wohl heißen, aber die Schwester war nicht dieser Ansicht, räumte die Karten beiseite, schenkte Barolo nach und ließ sich alles haarklein erzählen. Die Mannhard-Geschichte – wenn das die Spitze des Eisbergs sei, wo sei dann der Eisberg? Gebhard Schlosser wusste, wo der Eisberg war, er hatte viele Konfidenten. Als er mit seiner langen, kaum durch Zwischenfragen der Schwägerin unterbrochenen Geschichte am Ende war, schwieg sie eine Zeitlang, starrte dabei auf die Tischdecke. Dann sagte sie: »Ich würde mir keine Sorgen machen. Oft kommt es ganz anders, als man denkt. Nicht nur bei den guten Sachen, auch bei den bösen. Alles geht gut aus, glaub mir.«
    Billiger Trost, aber mit solcher Betonung und innerer Wahrhaftigkeit vorgetragen, dass Gebhard Schlosser spürte, wie ihn große Ruhe erfüllte. Die Schwägerin, das wusste er in diesem Augenblick mit der Kraft der absoluten Gewissheit, hatte recht. Das Gefühl hielt auch auf dem Heimweg an, was ihnschweigsamer werden ließ, als seine Frau gewohnt war, und in den nächsten Tagen und Wochen. Er kam dann aus Gründen, die bald klar werden sollten, nie mehr auf diesen Abend zurück, seine Frau auch nicht. Die Henker der Bank hatten sich vielleicht aufgemacht, um an seine Tür zu klopfen, aber sie waren an dieser Tür nicht angekommen. Oder jemand hatte sie zurückgerufen. Das Schicksal der Familie Mannhard blieb der Familie Schlosser erspart, auch ein nur im Entferntesten ähnliches; es blieb alles, wie es war. Er zahlte seine Beiträge auf das bewusste Konto, das heißt, sie wurden, wie es üblich ist, jeden Zweiten des Monats von seinem Gehalt abgebucht.
    Denn die Schwägerin hatte, als das Ehepaar Schlosser gegangen war, Nathanael Weiß angerufen und ein Treffen vereinbart.

    *

    Nathanael war bei der Schilderung der Frau nachdenklich geworden. Er kannte die Probleme, denen sich nun viele gegenübersahen, nur aus der Zeitung, sein Polizistenposten war sicher, was einfach hieß, dass er größere Chance hatte, erschossen als entlassen zu werden.
    »Wenn wir uns diesen Baumann vornehmen«, sagte er, »unter welchem Titel? Was ist der femewrogige Punkt?«
    »Verräterei natürlich!«
    »Ach ja. Das hab ich mir gedacht, was soll es auch sonst sein …«
    Sie standen wieder an der kleinen Brücke. Eine graue Wolkendecke hing über dem Ried, es war kalt, es würde aus diesen Wolken schneien, es war schon angekündigt.
    »Du hast Bedenken«, sagte sie. Keine Frage, eine Feststellung. »Wegen der Verräterei.«
    »Nein, nicht deswegen. Es ist nur so … Ich meine, du bist hinter diese Sache gekommen, weil du zufällig einen Betroffenen kennst. Der Mannhard-Fall … Also ja, das ging bei uns in der Inspektion herum, auch das Gerede, aber ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass diese Sache … uns betreffen könnte. Die Feme, meine ich.« Er hob die Arme. Es sah hilflos aus. »Ich bin nicht auf die Idee gekommen! Du hast recht, es ist Verräterei, das Urteil hat er auch verdient, keine Frage. Aber kannst du mir einmal erklären, warum mir das nicht selber eingefallen ist? Ich hätte ja wochenlang Zeit gehabt …«
    »Mach dir deswegen keinen Kopf. Du hast ja auch noch andere Sachen zu tun …«
    »Das mein ich ja! Andere Sachen – genau richtig. Wir haben beide noch andere Sachen zu tun. Wir sind Amateure, das will ich damit sagen. So kann es nicht weitergehen.«
    »Wie dann?«
    »Es nützt nichts«, sagte sie, »wir müssen den Ingomar mehr einbinden …«
    »Wie stellst du dir das vor? Der klappt doch zusammen, wenn er …«
    »Nein, nicht dabei ! Er soll uns nur helfen … zu … Wie sagt man … zu evaluieren.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie erklärte es ihm.
    Ingomar Kranz war sehr bedrückt, als ihn Nathanael an diesem Abend zu einem Treffen rief. Er sollte sich an einer bestimmten Brücke einfinden, um sechs Uhr am Abend, da war es dunkel, man

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