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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Maria vorgestellt hatte. Maggys Mann hatte das Auto genommen, um zur Arbeit zu fahren, und er war nicht durch die Garage gegangen. Und Maggy war zu Hause. Und öffnete die Tür. Und erkannte Maria. Und wusste gleich, was los war. Und nahm sie in den Arm und zog sie ins Haus. Maria hatte, so seltsam ihr das später erschien, auch endlich einmal Glück gehabt.
    Alles Weitere konnte sie Maggy überlassen. Die sagte ihr, dass es die beste Idee gewesen war, die Maria jemals gehabt hatte, die Idee, wegzulaufen. Schnall, Fall. Keine Spuren, keine Anrufe, kein gar nichts. Sie packte ein paar Sachen zusammen, einen Teil in einem Plastiksack, und schickte Maria mit diesem Sack zu einer bestimmten Stelle im Wald in der Nähe des Hauses, leicht zu finden. Wenn jemand sie gesehen hatte, war Maria eine Zigeunerin oder etwas Ähnliches, die in gebrochenem Deutsch gebettelt hatte – und dann mit einem Sack alter Kleider weggeschickt worden wäre. Maria wartete an der Stelle, nach einer halben Stunde kam Maggy mit einem Rucksack. Von jetzt an waren sie zwei Freundinnen, die eine Wanderung machten. Ins Ried. Warum nicht ins Ried? Dort kann man auch wandern, stundenlang, tagelang, wenn es sein muss. Bis hinauf nach Sargans. Eine Stunde später waren sie bei der Riedhütte. Und Maria hatte ihrer Schulfreundin alles erzählt.
    Maggy hatte nichts dazu gesagt, aber Maria wusste, das war nicht nötig, Maggy würde alles in Ordnung bringen. Alles würde gut werden. Wenn erst das Problem gelöst war. Und das hieß, das Problem musste aus der Welt verschwinden. Das war ihr klar, das gehörte zu den wenigen Dingen, die ihr klar vorAugen standen, die sich nicht in einem Wust von Erinnerungssplittern verhedderten, wenn sie darüber nachzudenken versuchte. Das Problem musste weg. Auch im Stillen nannte sie es nur das Problem und es.
    »Ich habe dir Eintopf mitgebracht«, sagte Maggy, »iss ihn bald auf, du weißt schon, wegen der Hitze, einen Kühlschrank verkraften die Solarmodule nicht …«
    »Was machst du jetzt?«, fragte Maria. Maggy war keine Anhängerin des Smalltalks, wenn sie so anfing, hatte sie etwas Ernstes vor. Die Freundin blickte sie an, seufzte. »Das Problem lösen«, sagte sie nach einer Weile. »Einfach nur das Problem lösen. Du wartest so lang hier und tust gar nichts. Schaffst du das?«
    »Kann ich nicht …?«
    »Nein, du kannst mir nicht helfen, nicht dabei. Du musst mir einfach vertrauen. Kannst du?«
    »Ja«, sagte Maria. Nun machte Maria eine Pause und Maggy sah sie an, weil sie um die Pause wusste und dass da noch etwas kam.
    »Und wenn du das Problem gelöst hast«, fragte Maria. »Dann ist es weg, ganz weg?«
    »Total weg, ja.«
    »Ich frag nur, dass ich das richtig verstehe.«
    Etwas ließ Maria aber keine Ruhe.
    »Was ist, wenn er hier auftaucht?«
    »Wer?«
    »Na … er !« Im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie den Namen nicht aussprechen durfte. Aber ganz richtig war die Formulierung auch nicht.
    » Es – es muss heißen: es . Wenn das Problem hier auftaucht. Wir waren uns doch einig?«
    Maria musste lachen, das erste Mal nach langer Zeit.
    »Entschuldige, du hast recht … Also, was ist, wenn das Problem hier auftaucht?«
    »Das ist völlig unwahrscheinlich. Niemand weiß, dass du hier bist, warum also …«
    »Du machst dir keine Vorstellung, wie gerissen … das Problem ist! Ich hab einfach Angst.«
    »Brauchst du nicht. Kein Problem. Ich bring dir was mit. Eine Waffe.«
    »Du hast eine Waffe?«
    »Vom Papa. Eine Flinte. Er war Jäger.«
    »Aber ich kann nicht …«
    »Es ist ganz einfach. Ich zeig’s dir. Gleich das nächste Mal.«
    Maggy sagte nichts mehr, schenkte Kaffee nach. Sie lehnten sich in die Campingstühle zurück und genossen den Schatten der Esche.

    *

    Anton Galba war von der Reaktion seiner Frau überrascht. Er hatte sie, das fiel ihm nun ein, nie besonders gut einschätzen können. Das kam nur heraus bei Abweichungen von der Routine, wenn etwas Ungewöhnliches vorfiel. Dann wusste er nie, wie sie reagieren würde, das heißt, er glaubte es vorher ganz sicher zu wissen, erst nachher , wenn sie sich anders verhalten hatte, als angenommen, erinnerte er sich an die anderen Male, da es genauso gegangen war; er verdrängte das immer. Und meistens, das musste er sich eingestehen, reagierte sie positiver, als befürchtet.
    Aber dass sie so positiv reagierte, hatte er nicht erwartet. Kein Herumschreien, wie es angenommen werden durfte, nicht einmal ein lautes Wort, kein Außer-sich-Geraten, kein

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