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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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linken Hand, die Taschenlampe im Mund, in der rechten hielt er die Pistole, riss die Tür auf. Die Sicherheitsmaßnahmen waren unnötig, von dem Mann vor der Tür ging keine Gefahr mehr aus. Er lag mit verdrehten Gliedern, Gesicht zur Seite, auf der kleinen quadratischen Fläche am unteren Ende der Treppe. Er richtete den Strahl der Lampe auf das Gesicht. Die Anruferin hatte recht gehabt. Das war ein Bekannter, wenn man so wollte. Nathanael Weiß löschte die Lampe, steckte die Waffe ein undzog den Körper herein. Gerhard Hopfner, der Jogger. Er nahm die Gegenstände an sich, die noch draußen lagen. Ein kurzes Brecheisen und einen Revolver mit Stummellauf und bösartig klaffender Mündung. Die hatte er nicht offen hergetragen. Dann die Gummistiefel, komische Adjustierung.
    Weiß trat ins Dunkel, zog die Tür zu. Als er das obere Ende der Treppe erreicht hatte, fiel ihm ein, dass er für die unbekannte Schützin ein wunderbares Ziel abgeben würde; der Gedanke hätte ihm als Polizist gleich kommen müssen, ein Polizistengedanke. Analyse der Gefahrenlage und so weiter. Aber er passte nicht hierher, der Gedanke, die Situation war eine andere, das wusste er. Diese Frau würde nicht auf ihn schießen; sie hatte ihm den Hopfner gleichsam auf den Präsentierteller gelegt – das war wie ein erster Spielzug, jetzt war er an der Reihe, sie erwartete etwas von ihm, er hatte eine Ahnung, was das sein konnte.
    Er fand die Tasche und die Laufschuhe hinter der Hecke und nahm beides mit. Der Mond war untergegangen, der Himmel bedeckt, es herrschte ägyptische Finsternis. Er musste die Taschenlampe benützen, das ließ sich eben nicht vermeiden, ein Schlafloser würde das Licht bemerken, aber der gebündelte Strahl beleuchtete nur eine kleine, kreisrunde Fläche ohne Nebenlicht, auch wer das Licht sah, würde den Herrn des Lichtes nicht erkennen.
    Im Keller untersuchte er Gerhard Hopfner. Zwei Einschüsse, keine Ausschüsse, wenig Blut. Natürlich: Einer genauen Nachsuche würde sein Kellerabgang nicht standhalten, jeder hinterließ Spuren, obwohl die Joggerkluft aus glattem Synthetikstoff gar nicht schlecht gewählt war, durchaus möglich, dass Hopfner die Hecke durchquert hatte, ohne an einem Ästchen ein verräterisches Fädchen zu hinterlassen. Aber das Blut – ein winziger Tropfen genügte. Es war dennoch keinProblem, da es keine professionelle Nachsuche geben würde, das wusste Nathanael Weiß schon jetzt. Oben läutete das Telefon.
    »Ein Dankeschön wäre angebracht«, sagte sie ohne Einleitung.
    »Warum?«
    »Der wollte sie umbringen!«
    »Das wäre möglich …«
    »Nein, das ist so …«
    »Und da haben Sie …«
    »Da hab ich, genau.«
    »Also: danke schön. Obwohl er kaum durch die Tür gekommen wäre.«
    »Das konnte er aber nicht wissen. Und ich auch nicht. Was werden Sie jetzt tun?«
    »Was soll ich denn tun?«
    »Stellen Sie sich nicht so an! Das, was Sie immer tun. Das empfehle ich Ihnen jedenfalls.«
    »Warum?«
    »Weil das das Richtige ist. Ja, ich glaube, bis jetzt tun Sie das Richtige …«
    »Aha. Und wenn ich einmal das Falsche tun sollte? Ich meine, das kann doch sein, oder? Niemand ist vollkommen.«
    Sie schwieg.
    »Sehen Sie«, fuhr er fort, »das ist nicht so einfach. Und alles ziemlich riskant – auf diese Art. Wir sollten das einmal in Ruhe bereden …«
    »Wo denn? In Ihrem Haus?«
    »Warum nicht?«
    Sie lachte. »Dazu kennen wir uns zu wenig gut. Ich weiß noch nicht, wie weit ich Ihnen trauen kann.«
    »Und was kann ich tun, damit Sie mir vertrauen?«
    »Ergreifen Sie eine vertrauensbildende Maßnahme.«
    »Mach ich. Gleich jetzt. Wenn Sie was auf dem Herzen haben, scheuen Sie sich nicht, anzurufen.«
    »Ja, ja. Sie werden trotzdem einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.«
    »Was meinen Sie mit … mit … so …?«
    »Dieses Unorganisierte, halb Zufällige. Ich meine, der Typ hätte Sie heute fast erwischt …«
    »Na ja, was heißt fast, der wäre nicht durch die Tür gekommen …«
    »Wie auch immer, das ist so kein Zustand. Für einen allein schon gar nicht.«
    »Sie wollen …?«
    »Sagt Ihnen das Wort Feme etwas?«
    »Nicht direkt …«
    »Schauen Sie nach. Ist hochinteressant. Ich ruf wieder an. Und denken Sie an das Auto.« Sie legte auf.
    Er wartete eine Viertelstunde neben dem Telefon. Es kam kein weiterer Anruf. Dann machte er sich ans Werk.
    Er bedauerte jetzt schon, dass sie nicht da war. Eine patente Frau, kurzhaarig wahrscheinlich, ein schlanker Typ. Die konnte anpacken,

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