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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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solche Lappalien auf? Wir wollen doch nicht vergessen, dass der Verrat von Amtsgeheimnissen nicht der Haupteinwand gegen den geschätzten Kollegen Weiß ist, nicht wahr? In Anbetracht der Tatsache, dass besagter Weiß andere Leute in unserer Anlage … Die Stimme wurde undeutlich, begannzu nuscheln, war verstummt. Es war seine eigene Stimme, nicht etwa eine fremde von außen oder so, das wusste er auch. Er wurde nicht schizophren, keine Chance, es war er selber, der so redete, ein Schutzmechanismus vor dem Durchdrehen; solange die Stimme redete, sprach die Vernunft – wenigstens eine vernunftähnliche Instanz und erklärte ihm alles. Es beruhigte ihn. Seltsam war nur die Anrede Toni , kein Mensch hatte ihn je so genannt, er gehörte nicht zu den Antons, die man Toni nennen wollte … Er versuchte sich zu konzentrieren, was ihm immer schwerer fiel.
    Die Karriere des Konrad Mugler hatte im Alter von achtzehn eine Wende genommen. Ein ganzer Haufen guter Menschen bemühte sich um ihn und gab ihm neue Chancen, die er auch wahrzunehmen schien: Computerkurse, eine kaufmännische Ausbildung und so weiter. Anstellung fand er damit keine, machte sich aber selbstständig und gründete ein kleines Handelsunternehmen für kunstgewerbliche Gegenstände, belieferte Boutiquen und andere Läden mit geschnitzten Masken, Geweben aus jedem vorstellbaren Material und Keramik jeder erdenklichen Form und Bemalung aus den vier Weltgegenden. Konrad Mugler hätte als Beispiel gelungener gesellschaftlicher Reintegration das Mitteilungsblatt jedes Hilfsvereins zieren können – wenn er nicht so maßlos übertrieben hätte. Denn wo hätte man ihn denn für dieses Mitteilungsblatt fotografieren sollen? Kaum in seiner Wohnung. Auch dem gutesten Gutmenschen unter den Lesern wäre nicht zu vermitteln gewesen, dass der Verkauf ghanaischer Holzmasken und peruanischer Teekannen den Erwerb einer zweihundertvierzig Quadratmeter großen Penthousewohnung (zuzüglich hundertachtzig Quadratmeter Terrasse) im Zentrum von Dornbirn ermöglichen sollte; eines Domizils, dessen Kaufpreis die ebenfalls interessierte, aber eben auch immerschon reich gewesene Dynastie-Erbin Gesine Mannhardt mit den in der Stadt weithin kolportierten Worten kommentiert hatte: »Die sind jo varruckt!« Gesine hatte einen anderen, wohlfeileren Alterssitz gefunden. Dabei war gar nichts Geheimnisvolles an Muglers Reichtum. Der beruhte sehr wohl auf Import und Verkauf von Gütern aus fernen Ländern, sogar Asien und Südamerika waren korrekt; die gewinnbringenden Waren im eigentlichen Sinne waren allerdings keine Masken und Kannen, sondern langweilige, weiße Pulver von bitterem Geschmack – es war nur nie gelungen, Mugler mit diesen Stoffen in Verbindung zu bringen, wenn ab und zu eine Lieferung aufflog. Auch in allgemein krimineller Hinsicht blieb er unauffällig, führte das Leben eines erfolgreichen Geschäftsmanns, was die Annehmlichkeiten betraf, ohne die gesellschaftliche Integration aber so weit zu treiben, dass er etwa versucht hätte, in den örtlichen Golfclub einzutreten oder sich sonst wie bei den führenden Kreisen anzubiedern. Mugler war stets von wunderschönen Frauen mit slawischem Akzent umgeben, die Härte dieses Akzents milderte sich im Lauf der Jahre, je höher er aufstieg. Für die breite Masse der Bevölkerung war Konrad Mugler ein Unbekannter, weil er niemals in Erscheinung trat und jeden Kontakt zum Rotlichtmilieu vermied, so dass ihm die Popularität lokaler Halbweltgrößen versagt blieb. Er fuhr oft auf Urlaub in entlegene und teure Destinationen, das Geschäft lief auch ohne seine körperliche Anwesenheit, wenn auch nicht ohne seine Aufsicht; er war auf einer Stufe der Hierarchie angelangt, wo man den Chef nicht sieht, aber von ihm gesehen wird. Immer und überall. Mugler hatte sich nicht verleiten lassen, etwa einen Fußballverein zu sponsern oder auf sonst eine hirnrissige Art sich so etwas wie Respekt der Normalbevölkerung zu erkaufen. Er war kein im Grunde heimatverbundener sozialer Abweichler. Konrad Mugler,so die Überzeugung des Chefinspektors Weiß, war ein gerissener Berufsverbrecher, ein Parasit in des Wortes reinster Bedeutung; er schmarotzte am Volkskörper wie nur irgendein widerlicher Blutsauger aus dem Tierreich und hätte schon vor Jahren wenigstens von ebendiesem Volkskörper entfernt werden müssen.
    Aber es hatte nie stichhaltige Beweise gegen ihn gegeben. Nur Hinweise, Indizien.
    Die Polizei wusste, dass er der Chef des lokalen

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