Alles fuer die Katz
Sie können was für ihn tun. Er heißt übrigens Alfred.«
»Alfred? Ach ja, natürlich.« Ich ging behutsam auf das halb ausgewachsene Tier zu. Sofort zeigte es die Krallen und empfing mich mit einem wütenden Fauchen, doch es war in seiner Ecke gefangen und konnte nicht davonlaufen.
Es würde nicht leicht sein, den Kater zu untersuchen. Ich wandte mich an Mrs. Bond. »Kann ich bitte eine Decke haben? Oder auch nur ein altes Bügeltuch, das genügt. Ich muss ihn einwickeln.«
»Einwickeln?« Mrs. Bond machte ein bedenkliches Gesicht, als sie im Nebenzimmer verschwand und kurz darauf mit einem zerfetzten Baumwoll- Laken zurückkehrte.
Ich räumte den Tisch ab, auf dem unzählige Katzenschüsseln, Katzenbücher und Fläschchen mit Katzenmedizin standen, und breitete das Laken aus; dann näherte ich mich wieder meinem Patienten. In einer Situation wie dieser muss man sich Zeit lassen, und nach etwa fünf Minuten war es mir durch sanftes Zureden gelungen, dass ich seinen Kopf mit der Hand streicheln konnte.
Dann packte ich ihn rasch am Genick, trug den wild protestierenden und strampelnden Alfred zum Tisch hinüber, legte ihn, die Hand noch immer fest am Genick, auf das Laken und begann mit der Prozedur des Einwickelns.
Es handelte sich dabei um ein Verfahren, das man häufig bei ungebärdigen Katzen anwenden muss, und ich verstehe mich, wenn ich das von mir selbst behaupten darf, recht gut darauf. Man muss das Tier ordentlich fest in die Decke einrollen und dabei lediglich den für die Untersuchung oder Behandlung notwendigen Körperteil freilassen: eine verletzte Pfote, den Schwanz und so weiter. In diesem Fall musste es der Kopf sein. Ich glaube, als Mrs. Bond mich das Tier rasch einwickeln sah, bis nur noch der kleine schwarzweiße Kopf aus der unbeweglichen Stoffhülle hervorschaute, fasste sie jenes blinde Vertrauen zu mir, das sie mir von da an entgegenbrachte. Alfred und ich standen uns jetzt sozusagen Auge in Auge gegenüber, und er konnte nichts dagegen tun.
Ich bin wie gesagt ziemlich stolz auf diese kleine Fingerfertigkeit und weiß, dass Kollegen, auch wenn sie mir sonst nicht allzu viel zutrauen, noch heute anerkennend sagen: »Eines kann der alte Herriot wie kein Zweiter – eine Katze einwickeln!«
Wie sich herausstellte, wuchs keine Haut über Alfreds Augen. Das geschah niemals.
»Er hat eine Lähmung des dritten Augenlids, Mrs. Bond, jener Membrane, die das Auge der Tiere schützt. Bei Alfred hat das Lid sich nicht wieder geöffnet – das Tier ist vermutlich in zu schlechtem körperlichem Zustand. Ich werde ihm eine Vitaminspritze geben und lasse Ihnen ein Pulver da, das Sie ihm unters Futter mischen. Falls es Ihnen gelingt, den Kater ein paar Tage im Haus zu behalten, ist er in ein, zwei Wochen sicher wieder in Ordnung.«
Die Spritze war kein Problem, denn Alfred, so wütend er auch war, konnte sich in seinem Laken nicht rühren, und damit war mein erster Besuch bei den Bonds beendet.
Der erste von vielen, vielen. Mrs. Bond und ich standen von Anfang an in freundschaftlichen Beziehungen zueinander, denn ich war jederzeit bereit, Zeit für ihre diversen Schützlinge aufzuwenden: Wenn es galt, eine Außenkatze einzufangen, kroch ich hinter dem Haus auf dem Bauch unter Holzstöße, überredete das Tier mit sanften Worten, vom Baum herunterzukommen, oder verfolgte sie endlos durch den verwilderten Garten. Doch diese Mühe lohnte sich in vielerlei Hinsicht.
Da war zum Beispiel die Mannigfaltigkeit der Namen, mit denen Mrs. Bond ihre Katzen benannte: Getreu ihrer Londoner Herkunft gab sie vielen Katzen die Namen großer Fußballstars der damaligen Zeit. Es gab einen Eddie Hapgood, einen Cliff Bastin, einen Ted Drake, doch was Alex James anging, unterlag sie einem Irrtum, denn er bekam mit schöner Regelmäßigkeit dreimal im Jahr Junge.
Mrs. Bond hatte auch ihre eigene Art, die Tiere ins Haus zu locken. An einem stillen Sommerabend beobachtete ich sie dabei zum ersten Mal. Die beiden Katzen, die ich untersuchen sollte, waren irgendwo draußen im Garten, und ich ging mit ihr zur Hintertür, wo sie stehen blieb und, die Hände über der Brust gefaltet, die Augen geschlossen, mit einschmeichelnder Altstimme zu rufen begann.
»Bates, Bates, Bates, Ba- hates.« Abgesehen von einem reizenden kleinen Triller bei »Ba-hates« sang sie die Worte in feierlichem, gleich bleibendem Ton heraus. Dann hob sie wie eine Primadonna in der Oper ein zweites Mal ihren gewaltigen Brustkasten, und wieder drang es
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