Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Umweltverband
»Landvernd«. Der Sommer war bis jetzt ausgesprochen warm gewesen, die Leute sprechen sogar von einer »Hitzewelle«, in Reykjavík
liegen die durchschnittlichen Temperaturen bei 12,2 Grad Celsius. (An manchen Tagen klettert das Thermometer andernorts tatsächlich auf 20 Grad.)
Reykjavík mit dem Esja im Hintergrund
Für das Wochenende ist allerdings viel Regen angesagt. Die Reisenden beunruhigt das nicht weiter, schließlich ist es kein
Klischee, dass sich in Island das Wetter alle zwanzig Minuten ändert. Auf Regen folgen schnell Sonnenschein (oder zumindest
Trockenheit) und unzählige Regenbögen. Bei der Abreise hängen schwere, dunkle Wolken über Reykjavík. Die Gruppe startet vom
zentralen Busbahnhof in zwei Wagen, einem Hochlandjeep mit Platz für rund zehn Personen, und einem normalen Reisebus.
Nach kurzer Fahrt zeigen sich am Wegesrand die Spuren früherer Vulkanausbrüche – kilometerweit moosbewachsene Lavafelder.
Für Ausländer ist das etwas Besonderes, für Isländer dagegen so normal wie für uns ein Wald. Aus der Ferne sieht es aus, als
bilde das Moos nur eine dünne Schicht auf den kantigen Felsformationen, tatsächlich ist es an manchen Stellen bis zu zwanzig
Zentimeter dick. Wie eine weiche Decke, ein grünes Polster umhüllt das Moos die schroffen Steine.
Über die Ringstraße, auch Nationalstraße Nummer 1 genannt, geht es an diesem Samstag in Richtung Süden. Wie ein schmalesBand führt die Ringstraße einmal um die Insel. 1336 Kilometer, meist in Küstennähe. Nicht alle Abschnitte sind asphaltiert, lediglich wenigen Stellen sind vierspurig. Außer der
Ringstraße gibt es noch einige Verästelungen – weitere Straßen und Wege, die ins Hochland führen, zu den Halbinseln, zu Ortschaften
oder einsam gelegenen Höfen. Doch egal, wo man entlangfährt, die Natur ist immer größer.
Zu dieser gehören neben den Lavafeldern auch zahlreiche Gletscher und Islandpferde. Die robusten Tiere leben halbwild, unbeeindruckt
trotzen sie jedem Sturm. Sie sind neben den verstreut liegenden Höfen und ein paar Schafen die einzigen Farbflecke in den
Weiten. Nach circa einer Stunde Autofahrt liegt Hekla (»Haube«), einer der aktivsten Vulkane der Insel, vor uns. Viele Isländer
glauben, dass der 1491 Meter hohe Zentralvulkan bald ausbricht. Und wer weiß, vielleicht ist es ja schon geschehen, wenn du diese Zeilen liest. Seit
Mitte des vergangenenJahrhunderts brach Hekla etwa alle zehn Jahre aus: 1970, 1980, 1991 und 2000.
Friedhof in den Westfjorden
Im Mittelalter glaubten die Isländer noch, Hekla sei das Tor zur Hölle, erst Mitte des 18. Jahrhunderts trauten sich die Ersten, den Berg zu besteigen. Früher war es ohnehin nicht üblich zu wandern. Man ging nur so
hoch, wie die Schafe weideten. In unserer Reisegruppe kennt jeder diese Geschichten, trotzdem hören die Isländer gerne zu,
wenn die beiden mitgereisten Geologen ihr Wissen zum Besten geben, zu jedem Stein gibt es etwas zu sagen. Unser Ziel ist die
Region um den Torfajökull, dort befindet sich das größte Hochtemperaturgebiet Islands. Hier soll man fast alle Elemente der
isländischen Natur in unmittelbarer Nähe erleben – heiße Quellen, mehrfarbige Rhyolithberge, schwarze Sandwüsten, Gletscher
und grüne Berge. Die Busse verlassen nun die asphaltierte Straße; sie huckeln weiter über einfache Pfade und Schotterpisten.
Ständig geht es bergauf und -ab, wie bei einer Achterbahnfahrt, nur dass die Busse gezwungenermaßen langsamer sind. Denn an
manchenStellen führt der einspurige Weg so steil hinauf, dass man möglichen Gegenverkehr nicht sehen kann. Je weiter wir ins Hochland
fahren, desto improvisierter werden die Straßen, kleine Steinpyramiden dienen als Wegweiser. Irgendwann kommt der normale
Bus nicht mehr weiter. Diejenigen, die ihre Kräfte schonen wollen, tuckern mit dem Jeep den steilen Berg hinauf. Wir anderen
laufen.
Der Blick auf Hekla
Abtauchen in eine andere Welt
Schon die zweistündige Fahrt war ein langsames Abtauchen in eine andere Welt, doch erst jetzt beginnt unsere eigentliche Reise.
Plötzlich stehen wir mitten in der Einsamkeit. In einer kargen Gegend ohne Handyempfang, umringt von dunklen Bergen, ansonsten
nichts. Schritt für Schritt erklimmen wir den ersten Hügel. Es regnet nun leicht. Auf rund 1100 Höhenmetern angekommen erblickt man das wellenförmige Bergpanorama: rostrote und schwefelgelbe Rhyolithberge, aus denen
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