Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
kümmert, tüftelt ihr Mann meist in der Heringsfabrik.
Sie ist seine Baustelle – und eine Lebensaufgabe. Das neunzig Meter lange Gebäude wurde in den dreißigerJahren errichtet, als Heringsschwärme in die Region zogen. So stand in Djúpavík, was »tiefe Bucht« bedeutet, 1935 das größte
Steingebäude Islands. Mit modernsten Maschinen stellten die Arbeiter Fischmehl und Öl her, das gefilterte Öl lagerte anschließend
in den drei riesigen Tanks, die jeweils über 5600 Tonnen fassen können.
Blick vom Álfaborg auf den ostisländischen Fjord Borgarfjörður eystri
Djúpavík war in den Boomjahren ein belebter Ort. Rund 150 Menschen waren rund um die Fabrik beschäftigt. Die Arbeiterinnen salzten im Freien den Hering und wohnten im heutigen Hotelgebäude.
Es gab eine Kantine und Bäckerei, im Herbst nutzten die Anwohner nach dem Schafabtrieb die Fabrik gelegentlich als Schlachterei.
Doch nach zwanzig Jahren verschwand der Hering genauso plötzlich, wie er auftauchte. Seitdem war Djúpavík wie ausgestorben,
und als Ásbjörn den Ort in den achtziger Jahren das erste Mal besuchte, lag alles brach. Sein Großvater hatte hier früher
gelebt, nun wollten er und seine Frau sich in der Einsamkeit eine neue Existenz aufbauen – und machten das ehemalige Arbeiterinnenhaus
zum Hotel.
Auch wenn die Heringsschwärme abgezogen sind, am Morgen liegt immer etwas davon auf dem Frühstücksbuffet. Und natürlich ist
das Silber des Meeres auch Teil des Fischbuffets, das an diesem Samstag für die Gäste bereitsteht. In einer Schale schwimmt
er pur, in einer anderen suhlt er sich in einem Currybad. Außerdem wird eine Fischsuppe serviert und in Auflaufformen frisch
gefangene Miesmuscheln, feinster butterweicher Lachs, dazu Fischfrikadellen und Kabeljau, für den die Isländer ja sogar schon
Kriege führten.
Wo alles verarbeitet wird, was das Meer bringt, gibt es selbstverständlich eine eigene Fisch-Kochsendung. In ›Fagur fiskurí
sjó‹ peppt ein Koch die Klassiker mit reichlich Knoblauch, Koriander und Chili auf. Knoblauch scheint das beliebteste Gewürzder Isländer zu sein, es ist so gut wie überall drin. Ganz anders als früher. Eine Deutsche, die vor über sechzig Jahren auf
die Insel kam, erinnert sich, dass es hier damals kaum Gewürze gab, auch keinen Tee. Bis heute ist Kaffee das klassische Getränk.
Er wird jedem Besucher, der die Türschwelle übertritt, angeboten. Und eigentlich darf man ihn auch nicht ablehnen, wer nur
eine kleine Tasse möchte, sagt: »Já takk, en bara tíu dropa« – »Ja, danke, aber nur zehn Tropfen«. Im Hotel Djúpavík stehen
heute neben großen Kannen Kaffee auch stets heißes Wasser und einige Teesorten bereit.
Tagsüber, wenn die Gäste versorgt sind, setzen sich einige Angestellte sowie Eva und Ásbjörn mit einer Tasse starkem Kaffee
auf die Holzbank und blicken auf die Bucht, in der schon Mick Jagger mit seiner Jacht aufkreuzte. »Wird ja auch langsam mal
Zeit, dass Mick vorbeikommt«, scherzte Ásbjörn damals. An diesem sonnigen Tag schauen sie auf zwei Schafe, die am Strand Seegras
knabbern, unweit davon steht ein rot leuchtendes Feuerwehrauto. Zwischendurch fährt Autoliebhaber Ásbjörn, der unter anderem
einen alten Mercedes 280 E liebevoll hegt und pflegt, damit durch die Region. Denn sollte es mal einen Notfall geben, wäre dies das einzige Feuerwehrauto
weit und breit. Also nutzt er ihn regelmäßig und verbreitet ein Liebesfeuer, wie er es nennt.
Der Sänger der Rolling Stones übernachtete zwar nicht im Hotel, dafür aber der isländische Präsident. »Vor einigen Tagen war
der Finanzminister unser Gast«, sagt Eva. Djúpavík ist auf den ersten Blick kein schöner Ort, doch er hat mit seiner maroden
Fabrik und dem davorliegenden Schiffswrack (hier übernachteten in den dreißiger Jahren die Arbeiter) einen ganz eigenen Charakter,
er ist kantig, rostig und hat Charme. Viele Künstler ließen sich davon schon inspirieren: Die Band Sigur Rós, neben Björk
der berühmteste Musikexport Islands, spieltein der Heringsfabrik, später kletterten sie in einen der Fischtanks, um die besondere Akustik für einen Song zu nutzen. Sehen
kann man dies in der Doku ›Heima‹, die Sigur Rós begleitet, wie sie an exotischen Plätzen Islands unangekündigte Konzerte
gaben.
An diesem Samstag klettern Svavar und einige befreundete Musiker aus Australien und Frankreich in den Tank, machen eine spontane
Session. Die
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