Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Fabrik ist längst zu einem Ort der Kultur geworden, neben einer ständigen Ausstellung über die Geschichte des
Gebäudes und Dorfes gibt es im dreistöckigen Haus weitere Räume für Kunstprojekte. Das Gelände ist auch ein Abenteuerspielplatz
für die Kinder, selbst die Kleinen dürfen im Sommer bis nachts im Freien toben. Es gilt, die wenigen warmen und hellen Tage
zu nutzen, bevor die dunkle Zeit kommt.
Am Sonntag wird im Hotel das Kuchenbuffet aufgetischt. Die Schokoladentorte sorgt für einen Zuckerschock, nicht weniger kalorienreich
sind die eingerollten isländischen Pfannkuchen, die in einer speziellen Pfanne ähnlich wie Crêpes zubereitet werden. Sie zählen
zu den süßen Klassikern, ebenso wie die goldbraunen Kleinur, ein rautenförmiges Schmalzgebäck. »Was sollte ich unbedingt probieren?«,
frage ich Sigrún, die im Hotel arbeitet. »Hm, alles ist lecker. Probiere doch von jedem ein bisschen.« Das ist zu viel, aber
ich wage mich noch an eine helle, cremige Torte mit Blaubeeren. Unberührt, zumindest von mir, bleiben die Hochzeitstorte und
der Fernsehkuchen. Für jede Lebenslage ein Gebäck. Nach so vielen Kalorien gibt's nur eine Lösung – ein langer Spaziergang.
Fernab des Sommerfestes kehrt in Djúpavík langsam wieder Ruhe ein und lässt mich erahnen, wie es hier im Winter seinwird. Sehr einsam und ruhig. Hotelchefin Eva ist die Frau, die ich bei der Nationen-Versammlung in Reykjavík traf und die
sich darum sorgt, dass die einzige Landstraße, die zu ihr nach Djúpavík führt, im Winter nicht mehr geräumt wird. Denn dann
sind sie und ihre Familie wieder eingeschneit – und für Monate so gut wie von der Außenwelt abgeschnitten. Und das, obwohl
ihr Hotel ganzjährig geöffnet hat. Die Straße, eine Schotterpiste mit der Nummer 643, schlängelt sich an den einsamen Küsten
entlang.
Auf ihr fahre ich auch nach knapp einer Woche mit Sigrún und ihren Kindern zurück ins fünf Stunden entfernte Reykjavík. Nach
einer halben Stunde Autofahrt halten wir an, die Isländerin will mir ihren Lieblings-Wasserfall zeigen. Ihre elfjährige Tochter
und der neunjährige Sohn laufen sofort los, klettern auf den höchsten Felsen. Sigrún bleibt entspannt, die beiden wissen schon,
was sie können. Stolz winken sie ihrer Mutter vom Gipfelauf zehn Metern Höhe zu. Bevor es weitergeht, pflücken wir ein paar Blaubeeren, ein willkommener Vitaminschub für die Reise.
Dann tuckern wir über die Schotterpiste, nach zwanzig Minuten kommt uns ein Auto entgegen; Sigrún lässt die Fensterscheibe
herunter und winkt der Fahrerin zu. »Kannst du das Medikament im Hotel Djúpavík abgeben? Eine Freundin von mir hat es im Auto
vergessen.« Die Fahrerin nickt, nimmt es entgegen und dann fahren sie beide weiter. »Kanntest du sie?«, frage ich sie. »Nein,
aber das ist Island.«
Am Wegesrand: isländische Beschaulichkeit in den Westfjorden
Am späten Nachmittag erreichen wir das Sommerhaus ihrer Eltern, dort musste sie noch kurz vorbei, weil sie für die Familie
ein Abendessen vorbereitet haben. Wie in vielen Feriendomizilen flattert eine isländische Flagge an der Fassade. Auf dem Grill
am Balkon brutzelt die Lammkeule, dazu gibt es in Honig geschwenkte Kartoffeln und viel Salat.
Zumindest die Salatmenge ist untypisch isländisch, noch vor einigen Jahren bestand selbst in Gourmet-Restaurants ein klassisches
Gericht häufig aus einer riesigen Portion Fleisch oder Fisch, dazu jede Menge Kartoffeln und vielleicht ein kleiner Klecks
Erbsen und Möhren oder zwei Salatblätter. Mit der zunehmenden Ökobewegung wächst allerdings auch in Island die Größe der Gemüse-
und Salatportionen. Die Rohstoffe dafür werden importiert oder in Gewächshäusern angebaut. Immer mehr Privatleute züchten
ihre eigenen Möhren, Gurken und Kräuter.
Wale bei Nacht
Proppenvoll kugeln wir uns ins Auto, fahren den Hvalfjörður entlang in Richtung Reykjavík. Die Sonne ist inzwischen untergegangen,
vor uns taucht eine hell erleuchtete Fabrik auf: eineWalfangstation. Sigrún fragt, ob ich mir das mal ansehen will. Es ist inzwischen 23 Uhr. Durch alte Lautsprecher ertönt über das weite Gelände blechern Radiomusik. Sigrún läuft mit ihren Kindern und mir auf
ein paar Arbeiter zu, die trennen mit einer Art Sense die Fettschichten von der Haut eines Wales. Die Isländerin geht zum
Vorarbeiter, erzählt, dass wir nur mal gucken wollen. »Seid ihr auch wirklich nicht von Greenpeace?«,
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