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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Brote! Die haben wir uns wahrlich verdient ...«

7
    Sie wurden vom Jaulen des alten Hundes auf seinem Kissen begrüßt. Kate kauerte sich hin, legte seinen Kopf auf ihren Schoß, rieb ihm die Ohren und flüsterte ihm zärtliche Worte ins Ohr. Dann, und in dem Moment dachte Charles nur noch, krass, um einen Lieblingsausdruck von Mathilde zu verwenden, breitete sie die Arme aus, umfasste ihn und hob ihn hoch (wobei sie sich auf die Lippen biss), um ihn zum Pissen in den Hof zu tragen.
    Er fand es so krass, dass er nicht wagte, ihr nachzugehen.
    Was so ein Vieh wohl wog? Dreißig? Vierzig Kilo?
     
    Diese Frau war aber auch immer für ... Ja, wofür eigentlich? Für eine Überraschung gut? Fähig, ihn so zu beeindrucken, dass er abermals auf sein wandelndes Wörterbuch von vierzehneinhalb zurückgriff. Ja, voll krass fand er das.
    Ihr Lächeln, ihr Nacken, ihr Pferdeschwanz, ihr siebziger Jahre-Kleid, ihre Hüften, ihre Ballerinas, ihre Kinderschar in der Natur, ihre Gestrüppentfernungsprojekte, ihre Schlagfertigkeit, ihre Tränen, wenn man sie am wenigsten erwartete, und jetzt die Hubschrauberbergung eines Fleischbündels in viereinhalb Sekunden, das war ...
    Das war zu viel für ihn.
    Sie war mit leeren Händen zurückgekehrt.
    »Was haben Sie denn?«, fragte sie und staubte sich den Rock ab, »man könnte meinen, Sie hätten gerade die Heilige Jungfrau in kurzen Hosen gesehen. Das sagen die Kinder von hier. Ich liebe diese Formulierung. ›He! Mickaël! Hast du die Heilige Jungfrau in kurzen Hosen gesehen, oder was?‹ Ein Bier?«
    Sie inspizierte ihre Kühlschranktür.
    Er wirkte wohl wirklich nicht ganz zurechnungsfähig, weil sie den Arm ausstreckte, um ihm zu zeigen, wie ein Bier aussah. »Sind Sie noch da?«
    Da er seine Verwirrung nicht mehr auf ihre Phrasen schieben konnte, gab sie ihm eine rationalere Erklärung: »Sein Hinterteil ist gelähmt. Er ist der Einzige, der keinen Namen hat. Wir nennen ihn den Großen Hund, und er ist der letzte Edelmann in diesem Haus. Ohne ihn wären wir heute Abend vielleicht nicht hier. Das heißt, ich wäre nicht mehr hier.«
    »Warum nicht?«
    »Haben Sie noch nicht genug?«, seufzte sie.
    »Wovon?«
    »Von meinen Heimatromanen?«
    »Nein.«
    Und als sie sich an der Spüle zu schaffen machte, schnappte er sich einen Stuhl und stellte sich neben sie. »Salat waschen kann ich auch«, versicherte er. »Hier! Setzen Sie sich. Trinken Sie Ihr Bier und erzählen Sie ...«
    Sie zögerte.
    Der Bauleiter runzelte die Stirn und hob den Zeigefinger, als wollte er sich ein wenig im Dressieren üben: »Sit!«
    Schließlich setzte sie sich, zog die Stiefel aus, schlang das Kleid fester um sich und ließ sich zurückfallen.
    »Ah«, stöhnte sie, »es ist seit gestern Abend das erste Mal, dass ich sitze. Ich stehe nie wieder auf.«
    »Ich kann nicht glauben«, sagte Charles, »dass Sie an so einer unpraktischen Spüle für so viele Leute kochen. Das ist nicht mal eine Landhausküche, das ist – das ist Masochismus pur! Vielleicht auch Snobismus, oder?«
    Mit dem Flaschenhals zeigte sie auf eine Tür neben dem Kamin: »Der Wirtschaftsraum. Dort finden Sie zwar keine Kammerzofe, aber eine große Spüle und sogar einen Geschirrspüler, wenn Sie genau hinschauen.«
    Dann rülpste sie ausgiebig.
    Ganz die Lady , die sie war.
    »Perfekt, aber – hm – egal, ich bleibe hier bei Ihnen. Ich kriege das schon hin.«
    Er verschwand, kam wieder zurück, lief hin und her, machte Schränke auf, fand allerlei Dinge und gab sich mit ihnen zufrieden.
    Unter dem belustigten Blick einer einzelnen Person.
     
    Während er mit den Schnecken kämpfte, mahnte er: »Ich warte auf die nächste Episode.«
    Sie sah zum Fenster: »Ich glaube, wir sind im Oktober hierhergekommen. Ich erzähle Ihnen später noch von den Umständen, jetzt bin ich zu hungrig, um mich ganz ausquetschen zu lassen. Und nach ein paar Wochen, als es immer früher dunkel wurde, bekam ich langsam Angst. Das war etwas ganz Neues für mich, Angst.
    Ich war hier ganz allein mit den Kleinen, und jeden Abend war in der Ferne Scheinwerferlicht zu sehen. Zuerst am Ende der Allee, dann kam es immer näher. Es war eigentlich nichts Tragisches. Nur das Scheinwerferlicht eines Autos, das sich nicht bewegte. Aber das genau war das Schlimme. Dieses wenige. Wie ein gelbes Augenpaar, das uns auflauerte. Ich habe René davon erzählt. Er hat mir das Jagdgewehr seines Vaters gegeben, aber, hm, damit war ich keinen Schritt weiter. Dann bin ich eines Morgens,

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