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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nachdem ich die Kinder in die Schule gebracht hatte, zum Tierschutzverein gefahren, etwa zwanzig Kilometer von hier entfernt ist. Es ist eigentlich kein richtiger Tierschutzverein. Eher eine Art Tierheim und Autoschrottplatz in einem. Ein – hm – sympathischer Ort mit einem Leiter, der – sagen wir mal – ein richtiges Original ist. Heute sind wir befreundet, man braucht sich ja bloß all die Krücken anzusehen, die er uns angedreht hat, aber damals, glauben Sie mir, hatte ich die Hosen gestrichen voll. Ich fürchtete, ich würde gleich erdrosselt und vergewaltigt werden und in einer Schrotmühle enden.« Sie lachte. »Meine einzige Sorge war: Mist, wer soll dann um vier die Kinder abholen?
    Aber Fehlanzeige. Das weiße Auge, das Loch im Kopf, die fehlenden Finger und die phantasievollen Tätowierungen waren eben sein Stil. Ich habe ihm mein Problem geschildert, er hat lange geschwiegen, mir dann Zeichen gegeben, dass ich mitkommen soll. ›Mit dem da wird Sie keiner mehr unterm Balkon belästigen, wenn ich es Ihnen sage.‹ Ich bin vor lauter Angst zusammengezuckt. In einem Käfig, der nach Exkrementen roch, versuchte eine Art Wolf nach uns zu schnappen, indem er sich wütend gegen das Gitter warf. Der Mann spuckte zwei-, dreimal auf den Boden und fragte dann: ›Haben Sie eine Leine?‹«
    Äh ...
    Charles, der seine Salatherzen fallen gelassen hatte, sah sie lachend an: »Und, hatten Sie eine Leine, Kate?«
    »Ich hatte nicht nur keine Leine, ich habe mich vor allem gefragt, wie ich mit diesem Tier zusammen in ein Auto steigen sollte! Es würde mich bei lebendigem Leib verschlingen, das war mal sicher! Aber gut. Ich habe die Fassung gewahrt. Der Typ hat einen Riemen genommen, laut gebrüllt, den Käfig aufgemacht und schon kam er mit dem geifernden Monster wieder heraus. Dann hat er ihn mir hingehalten, als wäre es ein Kühler oder eine verchromte Felge. ›Sonst nehme ich immer ein paar Groschen, aus Prinzip, aber den hier wollte ich eh schon abknallen. Okay. Ich muss weiter. Hab noch zu tun.‹ Und er hat mich stehen lassen. Im Regen quasi, wobei ich nicht nass wurde, sondern in null Komma nichts mitgezogen wurde. Ich muss hinzufügen, dass ich damals noch etwas weiblicher aussah, ich hatte mich noch nicht in Charles Ingalls aus Unsere kleine Farm verwandelt!«
    Unser Freund amüsierte sich zu sehr, um ihr zu widersprechen.
    »Irgendwann ist es mir dann gelungen, ihn zum Kofferraum zu zerren und dort –«
    »Und dort?«
    »Und dort habe ich es mit der Angst gekriegt.«
    »Haben Sie ihn wieder zurückgebracht?«
    »Nein. Ich habe beschlossen, zu Fuß zurückzukehren. Ich habe mich noch etwa hundert Meter mitziehen lassen, dann habe ich den Wahnsinnigen losgelassen und zu ihm gesagt: ›Entweder kommst du mit zu mir und führst das Leben eines Paschas, und wenn du alt bist, werde ich dir dein Fleisch pürieren und dich jeden Abend in den Hof tragen, oder du gehst dahin zurück, wo du hergekommen bist, und endest als Fußabtreter in einer Schrottkiste von Renault 5. Du kannst es dir aussuchen.‹ Natürlich ist er sofort abgehauen, quer über die Felder gedüst, und ich dachte schon, ich würde ihn nie wiedersehen. Von wegen. Von Zeit zu Zeit kam er zurück. Ich sah, wie er Raben jagte, im Unterholz verschwand und große Runden um mich zog. Runden, die immer kleiner wurden. Und drei Stunden später, als wir durch das Dorf kamen, folgte er mir ganz ruhig, mit heraushängender Zunge. Ich habe ihm zu trinken gegeben und wollte ihn in den Zwinger sperren, bis René mich mit dem Mofa zu meinem Auto gefahren hatte, aber er wurde darin verrückt, also habe ich ihm aufgetragen, auf mich zu warten, und wir haben ihn einfach dagelassen.«
    Bei einem großen Schluck Bier holte sie tief Luft. »Als wir zurückkamen, hatte ich trotzdem Muffensausen –«
    »Dass er abgehauen sein könnte?«
    »Nein, dass er die Kinder anfällt! Die Szene werde ich nie vergessen. Damals parkte ich noch im Hof. Ich wusste nicht, dass die Brücke einsturzgefährdet ist. Er lag vor der Tür und hob den Kopf, ich habe den Motor ausgemacht und mich zu den Kindern umgedreht: ›Wir haben einen neuen Hund, er sieht ziemlich böse aus, aber ich glaube, er sieht nur so aus. Schauen wir mal, okay?‹ Ich bin als Erste ausgestiegen, habe Hattie auf den Arm genommen und bin ums Auto herumgegangen, um den beiden anderen die Tür aufzumachen. Er hatte sich erhoben, ich habe versucht, ein paar Schritte zu gehen, aber Sam und Alice klammerten sich an

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