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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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umzukehren.
    Warum immerzu nachdenken? Als Bauleiter arbeiten, Pläne an Land ziehen, Entwürfe erstellen, Modelle bauen, berechnen, antizipieren, vorhersehen? Warum diese Zwänge? Du hast vorhin gesagt, dass du dich vor nichts mehr fürchtest.
    Ich habe gelogen.
    Wovor hast du Angst?
     
    Ich würde gern ...
    Ja?
     
    Gut. Spielen wir also den Pfiffikus. Schauen wir woandershin. Betrachten uns die Wolkenformationen, die ersten Kühe, den letzten Audi, die Autobahnraststätte La Briganderie , den Bussard da oben, den Preis des bleifreien Benzins in 17 km, die ... Als wir Kinder waren – meldete sich sein Gewissen leise zurück – und uns in die Wolle kriegten, was häufig vorkam, weil wir beide ziemlich stur waren und weil wir uns, denke ich, um die Aufmerksamkeit und die Küsse ein und derselben Frau stritten, hat sich Nounou, wenn er mit seiner Geduld und seinen Drohungen am Ende war, irgendwann seinen ausgestopften Vogel geschnappt, der auf dem Kühlschrank Staub ansetzte, ihm in den Schnabel gesteckt, was er gerade in die Finger bekam, meistens einen Stengel Petersilie, und ihn vor uns Schmollköpfen geschwenkt, damit wir uns versöhnten: »Gurr, gurr ... Die Friedenstaube, Herzchen ... Guuurrrrrrr ...«
    Und wir prusteten los. Und wenn man zusammen losprustete, war man nicht mehr verärgert und ... Und der Schuhkarton stand neben mir auf dem Beifahrersitz.
    Was interessiert uns das bleifreie Benzin? Mietwagen fahren doch immer mit Diesel, oder? Was? Wie bitte? Was sagst du?
    Er richtete sich wieder auf, zog an seinem Gurt. Lag da – lag da nicht so etwas wie Hoffnung in dieser verfluchten Infusion? War sie nicht schon wieder im Begriff, uns zu überschätzen und ein weiteres Mal auf die Probe zu stellen?
    Würde sie uns denn mit ihren verdammten Liebesexzessen nie in Ruhe lassen, sie waren uns doch schon zur Genüge ...
     
    Wie? Gepfefferte 1,22 Euro. Sag mal, Balanda, du nervst mit deinem Geblubber. Deiner Superintelligenz, deinen Zitateni.O., deiner Strenge, deinen einfältigen Studenten, deiner Bildung, deinem Einfallsreichtum und dem ganzen Mist, du weißt, dass wir den Plunder gern gegen einen Satz eintauschen würden, der hält, was er verspricht?
    Er runzelte die Stirn, zündete sich eine Zigarette an, wartete darauf, dass das Nikotin sein Rückenmark lockerte und er sich sein Elend eingestand: »Ich wünsche mir, dass ihr Tod nicht umsonst war.«
     
    Endlich, geschafft! So ist es gut. Tief durchatmen jetzt. Das war’s. Du hast dein Problem in Worte gefasst.
    Mensch, endlich hast du dein Projekt gefunden. Fahr weiter, sei still und, vor allem, atme nicht so heftig. Du weißt es zwar nicht, aber du hast eine angebrochene Rippe.
     
    Ja, aber wenn es schiefge...
    Sei still, haben wir gesagt. Keep cool.
    Weil er sich nicht vertraute, jedenfalls nicht in dem Punkt, streckte er sich, autsch, nach dem Radioknopf.
    Zwischen zwei bescheuerten Werbespots jaulte ein Popsänger mit lauter und schriller Stimme gut ein Dutzend mal Relax, take it easy .
    Okay, okay, ich hab’s kapiert.
    Er suchte seine Sonnenbrille, setzte sie aber gleich wieder ab, zu schwer, zu viele Wunden, schloss das Handschuhfach und drehte den Ton weg.
    Sein Handy muckte auf. Erlitt dasselbe Schicksal.
     
    Eine armselige Taube und ein entstellter Fußkranker in einem winzigen japanischen Auto. Als Arche Noah konnte man sich wahrlich etwas Besseres vorstellen, und doch, und doch ... löste er sich heimlich unter seinen Steri-Strips auf.
    Nach ihm die Sintflut.
     
    *
     
    Er verließ die Autobahn, dann die Nationalstraße und bald auch die Landstraßen.
     
    Zum allerersten Mal seit Monaten wurde ihm daraufhin bewusst, dass die Erde um die Sonne kreist, o ja, und dass er in einem Land lebt, das dem Rhythmus der Jahreszeiten unterworfen ist.
    Seine Benommenheit, die Leselämpchen, die Neonlichter, der schwache Schein der Bildschirme und die Zeitverschiebung, alles hatte sich gegen ihn verschworen, damit er es vergaß. Ende Juni, Sommeranfang, er machte die Fenster weit auf und fuhr das erste Heu ein.
     
    Eine weitere Offenbarung, Frankreich.
    So viele Landschaften in so einem kleinen Land. Und diese Farben. Die außergewöhnliche Farbpalette mit ihren Variationen, ihren Kontrasten, ihren unterschiedlichen Ausprägungen je nach Region und den typischen Baumaterialen. Backstein, braune Flachziegel, die warmen Farbtöne der Sologne. Die Steine mit ihrer Patina, der Putz, der ockerfarbene Sand der Flüsse. Dann die Loire, der Schiefer und der

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