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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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glücklichen Hausbesitzern, den »Bist du sicher?«, den »Du hast dich nicht verhört?« zum Gefecht aufgefahren wurde. Zog die Schultern hoch, hüllte sich in eine Art unsichtbaren Umhang und wartete darauf, dass sich das Automatiktor öffnete und Moses mit Kot bespritzte.
    Weit gefehlt.
    »Er ist nicht da.«
     
    Gut. Viel mehr als Witz und große Kraft hat hier Geduld und Zeit geschafft etc. Er hatte eine Kratzbürste am anderen Ende der Leitung, schlagen wir uns also auf seine Seite und fahren schwere Geschütze auf: »Sie sind Corinne, stimmt’s?«, kokettierte er. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Ich heiße Balanda, Charles Balanda.«
     
    Die Haustür (exotisches Holz, Modell Loire-Schlösschen, Bausatz mit Sprossen und Bleifassungen sowie Doppelverglasung, Dichtungen um die gesamte Zarge) öffnete sich und ließ ein – hm – weit weniger ansprechendes Gesicht erkennen.
    Sie streckte ihm den Arm, die Hand, ihre ganze Abwehr entgegen, und weil er versuchte, sie anzulächeln, um sie für sich einzunehmen, wurde ihm endlich klar, warum sie so verkrampft auftrat: Schuld war seine Fresse. Seine eigene Fresse.
    Und außerdem. Er hatte es schon vergessen ... Seine Hose war löchrig, seine Jacke zerrissen, sein Hemd mit Blutflecken und Jod getränkt.
    »Guten Tag, entschuldigen Sie. Es ist nur. Na ja. Ich binheute Morgen gestürzt. Ich komme hoffentlich nicht ungelegen?«
    »...«
    »Ich komme ungelegen?«
    »Nein, nein. Er ist jeden Augenblick zurück.« Dann drehte sie sich um zu einem kleinen Jungen: »Ab ins Haus mit dir!«
    »Sehr schön. Dann warte ich auf ihn.«
    Eigentlich hätte sie sagen müssen: »Aber kommen Sie doch rein«, oder: »Sie nehmen doch ein Gläschen, während Sie auf ihn warten«, oder: ..., aber sie wiederholte einfach etwas feldwebelhafter seine Worte »Sehr schön« und kehrte in ihr Maurerhäuschen zurück.
    Das echte.
    Reine Qualitätsarbeit.
     
    Daraufhin betrieb Charles ein wenig Anthropologie.
    Streifte durch Clos des Ormes.
    Verglich die hohlen Pfeiler, die auf Granit machten und schlecht zugeschnitten waren, die Geländer zu weniger als zehn Euro den laufenden Meter, Straßenpflaster, in der Fabrik gealtert, Betonplatten, wie Steine eingefärbt, grandiose Holzkohlengrills, Gartenmöbel aus Plastikgeflecht, neonfarbene Rutschen, Polyesterlauben, Garagentore, ebenso breit wie die sogenannte Wohnfläche...
    Sehr geschmackvoll.
    Jetzt war er keineswegs zynisch, nein. Er war snobistisch.
     
    Er machte kehrt. Ein weiteres Auto stand jetzt hinter seinem. Er ging langsamer, spürte, wie sein Bein wieder steif wurde, der Blondschopf schoss aus dem Garten, gefolgt von einem Mann, der wohl sein Papa war.
    Und im selben Moment, wie deprimierend, wenn man darüber nachdenkt, aber man denkt eigentlich nicht, registriert nur noch, der erste Gedanke, der Charles nach dem ersten Schock kam, war: Der Arsch hat noch alle seine Haare ...
    Deprimierend.
    Und dann. Was könnte man sich jetzt vorstellen? Violinenklänge? Zeitlupe? Verschwommene Ränder? »Na? Läufst du schon wie ein alter Mann?«
    Was könnte man sich jetzt vorstellen ...
    Charles fiel keine passende Antwort ein. Er war wohl zu sentimental.
     
    Alexis tat ihm weh, als er ihm auf die Schulter schlug: »Was führt dich hierher?«
    Blödmann.
    »Ist das dein Sohn?«
    »Lucas, komm her! Sag Onkel Charles guten Tag!«
     
    Er beugte sich hinunter, um ihn zu begrüßen. Ließ sich Zeit. Hatte vergessen, wie erfrischend dieses Alter roch.
    Fragte ihn, ob es nicht etwas lästig sei, dass Spiderman an seinem T-Shirt klebte, seine Haare berührte, seinen Hals, was? Sogar auf den Socken? Na so was. Und auch auf deinem Slip? Lernte, wie man die Finger halten musste, um Klebenetze zu sprühen, versuchte es selbst, erfolglos, versprach, es zu üben, richtete sich wieder auf und sah, dass Alexis Le Men heulte.
    Daraufhin vergaß er seine guten Vorsätze und ruinierte die Arbeit der Apothekerin.
    Die Wunden, die Beulen, die Nähte, die Deiche und alle Salbenverbände seines Lebens gaben nach.
    Ihre Hände schlossen sich umeinander, aber es war Anouk, die sie umklammerten ...
     
    Charles wich als Erster zurück. Der Schmerz, die blauen Flecken. Alexis hob seinen Jungen hoch, knabberte an seinem Bauch und brachte ihn damit zum Lachen, aber er wollte sich nur verstecken, sich schneuzen, und nahm ihn auf die Schulter.
    »Was ist passiert? Bist du vom Gerüst gefallen?«
    »Ja.«
    »Hast du Corinne schon kennengelernt?«
    »Ja.«
    »Warst du

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