Alles Glück kommt nie
Äskulapstabs.
Sein neuer Freund war vorm Schaufenster stehengeblieben und hob den Daumen, um ihm Mut zu machen.
Sein neuer Freund mochte Géraldine sehr gern.
Charles schnitt viele Grimassen. Sein Gesicht, oder das, was davon noch übrig war, wurde geschabt, gereinigt, desinfiziert, studiert, kommentiert, dann mit kleinen Pflastern bedeckt.
Er richtete sich auf und hielt sich an einem Verkaufsständer fest, hinkte zur Kasse, ließ sich gegen das Versprechen eines Arztbesuchs Salben andrehen, log, bedankte sich, zahlte und stellte sich wieder der Welt.
Sein alter Freund war verschwunden. Er schleppte sich in einen Tabakladen und wunderte sich über die vielen ausweichenden Blicke, die er magisch anzog.
Der Inhaber des Ladens war nicht sehr zimperlich. Er hatte schon andere gesehen.
»Na?«, scherzte er, »haben wir heute Morgen schon gegen einen Bus gekämpft?«
Charles lächelte gerade so breit, wie der Schmerz es zuließ: »Einen Lieferwagen ...«
»Nicht aufgeben! Nächstes Mal klappt’s bestimmt ...«
Ein Tabakladenbesitzer. Ein Pariser Tabakladenbesitzer, der Humor hatte. Herrlich!
Er genehmigte sich einen Halben, um das zu feiern.
»Hier! Ich habe einen Strohhalm reingesteckt. Was? Hunger? Nicole! Gib mir für den jungen Mann einen Teller Püree raus.«
Und Charles, mit einer Pobacke auf einem Hocker am Tresen, stärkte sich mit spitzen Lippen und hörte Monsieur Nicole zu, der ihm die lange Liste der Verwundeten, Überfahrenen, Verstümmelten, Hinkenden, Toten und anderweitig Amputierten herunterbetete, die ihm seine gute Lage mit Ausguck (Eckhaus an einer großen Kreuzung, unabdingbar für den Handel) in fünfundzwanzig Jahren beschert hatte.
»Ich glaube, ich habe noch irgendwo eine Petition gegen diesen neuen Blödsinn mit den Bussen, die verkehrt herum fahren, interessiert Sie das?«
»Nein.«
Er bewegte sich mühsam vorwärts, hielt den Karton in der einen, sein Bein in der anderen Hand. War verloren.
Nicht in der Rue Monge natürlich, aber ...
Er wählte Laurence’ Nummer, wie man fünf Kugeln aus einer Trommel verschießt, hielt den Hörer an die Schläfe und wartete.
Die Mailbox.
Er machte kehrt und stieß die Tür zu einer Autovermietung auf, an der er vor fünf Minuten intensiven Grübelns vorbeigekommen war.
Er beruhigte den Händler, es sei nicht so schlimm, nur eine Glastür. Aha, gab der andere erleichtert von sich, na denn, meinen Kollegen hat’s auch grad erwischt. Drei Stiche. Charles zog die Schultern hoch. Wohl ein bisschen zimperlich, der Kollege.
Im letzten Moment flehte sein geschwollenes Knie ihn an, seine Meinung zu ändern: »Warten Sie! Geben Sie mir lieber einen mit Automatik.«
Schmerzenstränen zurückhaltend, zwängte er sich hinter das Steuer eines kleinen Stadtautos der Kategorie A, sah in seinen Terminkalender, blätterte zur richtigen Seite vor, stellte die Spiegel ein und bemerkte, dass Elephant Man mit von der Partie war.
War ihm dankbar für die unerwartete Gesellschaft, bog nach links und peilte Porte d’Orléans an.
Die Ampel war gerade auf Grün gesprungen. Er fuhr wieder an und warf einen Blick auf das Armaturenbrett.
Wenn alles gutging, wäre er zum Abendessen bei Alexis.
Verkniff sich ein Lächeln, es war so schon schmerzhaft genug, aber sein Herz lächelte selig.
Teil 3
1
Am Anfang war es ganz einfach, er hatte eine Entscheidung getroffen.
Verließ die Stadt, fuhr schnell, hielt sich nicht an den Sicherheitsabstand.
Wusste nicht, was ihn erwartete, fürchtete sich aber nicht davor. Fürchtete sich vor nichts mehr. Sein Spiegelbild, vielmehr das, was an die Stelle seines Gesichts getreten war, seine Müdigkeit, alles, was er vor sich sah, diese gewissenhafte Frau, wie sie nach ihrer Vene suchte, eine lange Nadel einführte, sie sorgfältig festklebte, ihre Faust ein letztes Mal öffnete, die Abschnürbinde lockerte und den Durchfluss ihres Todes überprüfte, bevor sie sich in einer leeren Wohnung in dem einzigen verbliebenen Sessel zurücklehnte. Was für ... Nein. Es ließ ihn kalt.
Zwischen zwei Leitplanken hatte er seine Assistentin erreicht und Laurence eine Nachricht hinterlassen.
»Gut, das sage ich ab. Und was den Montagabend betrifft, Abflug um 19.45 Uhr. Ich glaube, es ist mir gelungen, ein Upgrade zu ergattern. Ich habe schon die Nummer, haben Sie was zum Schreiben?«, fragte Erstere.
»Ich habe deine Nachricht erhalten«, Letztere hatte irgendwann zurückgerufen, »du, das trifft sich
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