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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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vielleicht sein, dass der Herr Pariser Les Marzeray sucht?«
    Es lässt sich nicht leugnen, Charles erlebte einen Moment großer Einsamkeit. Was ...
    Gewährte seinem armen Hirn die Zeit eines einfältigen Lächelns, um den ganzen Schlamassel zu entwirren.
     
    Zuerst einmal Pariser, daran war sicher sein Nummernschild schuld, er hatte nicht darauf geachtet, als er das Auto übernommen hatte, aber nun gut, dann Les Marzer[å], wie sich das wohl schrieb? Mit einem »y« am Ende? Ein »M« und ein schnell hingekritzeltes »y« auf der Seite des 9. August, das war alles, woran er sich halten konnte. Er versuchte noch einmal, seine eigene Schrift zu entziffern, aber außer dem Tagesheiligen war nichts zu erkennen. Was den fraglichen Heiligen anging, ho ho, ein guter Witz.
    Es wurde rumgefragt, ziemlich lange diskutiert, dann einigte man sich. Tippte auf ein Y.
    Sie hatten aber auch Fragen, diese Städter …
     
    »Ist es noch weit?«
    »Ach was, noch etwa zwanzig Kilometer.«
     
    Zwanzig Kilometer, auf denen sein Lenkrad ziemlich glitschig wurde und sein Brustkorb immer mehr drückte. Zwanzig sehr langsame Kilometer, die ihm die Bestätigung brachten: Er hatte komplett das Gesicht verloren.
     
    Als der Kirchturm von Les Marzeray in der Ferne auftauchte, hielt er am Straßenrand.
     
    Hinkte, pinkelte in die Brombeeren, holte tief Luft, litt, atmete aus, machte sein Hemd auf, packte es am Kragen und schüttelte es, um es zu trocknen. Wischte sich mit dem Arm über die Stirn. Hatte Schmerzen an den Schürfwunden, hatte Schmerzen am Leinenstoff. Holte noch einmal tief Luft, mein Gott, wie er stank, knöpfte das Hemd wieder zu, schlüpfte in seine Jacke und atmete ein letztes Mal aus.
    Sein Bauch fing an zu knurren. Er war ihm dankbar, pflaumte ihn aus Prinzip aber an. Scheiße, die Lage ist ernst! Was? Ein Steak? Dafür hast du doch gar keinen Platz, Idiot. Du bist ja nur noch Haut und Knochen, wie du siehst.
    Eben drum. Ein schönes fettes Steak mit Alexis. Um ihr eine Freude zu machen. Esst,Jungs, esst, der Rest folgt ganz von selbst .
    Sein einziges Problem (schon wieder?! Es ödete ihn langsam an) war das Herz.
    Das ihm im Halse steckte ...
    Also rauchte er.
    Um es zurückzuscheuchen.
     
    Setzte sich auf die warme Motorhaube, ließ sich Zeit, erhöhte sein Risiko auf Impotenz und hüllte jede Menge kleiner Insekten in Nebel. Erinnerte sich daran, wie sehr er gelitten hatte ... War damals ziemlich zynisch gewesen. Hatte behauptet, das Rauchen aufzugeben, sei das einzige große Abenteuer, das ihnen, den gutgenährten kleinen Westlern, noch blieb. Das einzige.
    War es nicht mehr.
    Fühlte sich alt, vom Tod verfolgt, abhängig.
    Schaltete sein Handy wieder ein. Fehlanzeige. Kein Empfang.

2
    Am Rathaus angekommen, blätterte er vor zum 10. August, Alexis wohnte in Clos des Ormes, suchte eine Zeitlang und schaltete schließlich wieder auf Radio Klatschweiber: »Oh. Das ist noch eine Ecke weg von hier. Das sind die neuen Häuser hinter der Genossenschaft.«
     
    »Die neuen Häuser«, im ersten Moment hatte er es nicht geschnallt, aber der offizielle Terminus dafür lautete wohl Neubausiedlung. Das fing ja gut an. Das war genau das, was er liebte. Hässliche Bauten, hässlicher Putz, Rollläden, Serienbriefkästen und Straßenbeleuchtung mit affigen Laternen.
    Und das Schlimmste war, dass so ein Schandfleck ein Schweinegeld kostete ...
    Okay, fasse dich kurz. Wo war noch gleich die Nummer 8?
     
    Thujahecke, ein protziger Gitterzaun und ein Tor aus Fertigkomponenten mit auf alt getrimmter Kunstschmiedearbeit. Fehlten nur noch die kleinen Löwen auf jedem Pfeiler. Charles strich seine Jackentaschen glatt und drückte auf die Klingel.
    Ein Blondschopf erschien hinter der Glastür.
    Wurde von Armen weggezogen.
    Okay.
    Er drückte ein weiteres Mal auf die verfluchte Klingel. Eine Frauenstimme antwortete: »Ja?«
    Nein? War das die Möglichkeit? Es gab eine Gegensprechanlage? Die hatte er nicht gesehen. Eine Gegensprechanlage? Hier? In einer der einsamsten Gegenden Frankreichs? Die als Naturschutzgebiet eingestuft wurde mit allem Drum und Dran? Das vierte Haus eines verpfuschten Fleckchens Erde,das kaum mehr als zwölf zählte, und eine Gegensprechanlage? Was für ein Quatsch!
     
    »Wer sind Sie?«, wiederholte die Anlage.
    Verpiss dich, antwortete Charles, sprach es aber anders aus: »Charles. Ein Freu... ein früherer Freund von Alexis.« Stille.
    Er hatte keine Mühe damit, sich die Verblüffung vorzustellen, wie bei den

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