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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Locken seines Fahrers wieder in den Sattel: Sapperlot, Junge, auf zum Angriff! Stürmen wir die Festung!
    Ja, das Problem war nur, dass sie gar kein Schloss hatte. Die hundert Jahre alte Allee mündete in eine zur Hälfte gemähte große Wiese.
     
    »Hier musst du abbiegen...«
    Sie folgten etwa hundert Meter einem kleinen Bach (dem alten Wassergraben?), und ein Komplex aus mehr oder weniger eingesackten Dächern (eher mehr) zeichnete sich inmitten der Bäume ab. Ulmen vielleicht?, grinste der Pariser Spießer in ihm, der schon Mühe hatte, einen Pariser Pinkelbaum zu identifizieren.
    Richtung ehemalige Wirtschaftsgebäude, also ...
    Er fühlte sich besser.
    »Und hier hältst du an, die alte Brücke könnte sonst zusammenbrechen.«
    »Ach?«
    »Ja, und das ist supergefährlich«, fügte er ganz aufgeregt hinzu.
    »Verstehe.«
     
    Er parkte hinter einem steinalten, mit Dreck eingesauten Volvo Kombi. Die Heckklappe stand offen, zwei Köter pennten im Kofferraum.
    »Das hier ist Agli und das ist Iduss ...«
    Schwänze wedelten und wirbelten Strohreste auf.
    »Die sind aber hässlich, oder?«
    »Ja, aber das ist Absicht«, versicherte sein Miniguide, »sie gehen jedes Jahr ins Tierheim und sagen dort dem Mann, dass er ihnen den hässlichsten Hund geben soll.«
    »Ach so? Und warum?«
    »Damit er dort rauskommt!«
    »Wie viele haben sie denn insgesamt?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Verstehe«, spottete Charles, sie waren hier keineswegs bei Gottfried von Bouillon, sondern an einem Stützpunkt für Althippies mit einem Herz für Tiere.
    Hilfe.
    »Haben sie auch Ziegen?«
    »Ja.«
    »Das habe ich mir schon gedacht!«
    »Und die Baronin? Raucht sie Gras?«
    »He, du bist aber dumm. Ob sie das frisst, meinst du wohl?«
    »Ist die Baronin eine Kuh?«
    »Ein Pony.«
    »Und die dicke Victoria auch?«
    »Nein. Das war eine Königin, glaube ich.«
    Help.
     
    Danach hielt Charles den Mund. Steckte seine Bosheit zurück in die Tasche und sein versifftes Taschentuch gleich dazu.
    Der Ort war wunderschön.
    Dabei wusste er genau, dass das Gesinde immer zugänglicher war als die Gutsherren. Er hatte jede Menge Beispiele parat. Suchte sie aber nicht hervor, dachte nicht mehr nach, bewunderte nur.
    Die Brücke hätte ihn schon stutzig machen müssen. Die Anordnung der Steine, der elegante Fahrbahnbelag, die Kieselsteinchen, das Geländer, die Pfeiler ...
    Und dieser sogenannte »geschlossene«, aber so ansprechende Hof. Diese Gebäude. Die Proportionen. Der Eindruck von Sicherheit, von Unverwundbarkeit, obwohl alles kurz vorm Einstürzen war.
     
    Ein Dutzend Fahrräder standen verwaist auf dem Weg, und Hühner pickten an der Kette herum. Es gab sogar Gänse, und vor allem eine merkwürdige Ente. Wie soll man sagen, sie war nahezu senkrecht. Als stünde sie auf Zehenspi... auf Schwimmhäuten.
    »Kommst du?«, fragte Lucas ungeduldig.
    »Die Ente ist ja komisch, oder?«
    »Welche? Die hier? Die rennt vor allem superschnell, das wirst du noch sehen –«
    »Aber was ist das für ein Tier? Eine Kreuzung mit einem Pinguin?«
    »Weiß ich nicht. Sie kommt aus Indien. Und wenn sie mit ihrer Familie zusammen ist, laufen die hintereinander her, das ist total witzig.«
    »Indischer Entenmarsch?«
    »Kommst du?«
    Charles fuhr erneut zusammen: »Und wer ist das hier?«
    »Der heißt Rasenmäher.«
    »Ist das – ist das ein Lama?«
    »Fang bloß nicht an, es zu streicheln, sonst rennt es dir überall nach und du wirst es nicht mehr los.«
    »Spuckt es?«
    »Manchmal. Und seine Spucke, die kommt nicht aus seinem Maul, sondern aus dem Bauch, und das stiiiiinkt.«
    »Sag mal, Lucas. Was ist das hier eigentlich? Ein Zirkus?«
    »Ja, genau!«, lachte er, »das kann man so sagen. Darum ist Mama auch, äh –«
    »Nicht so begeistert davon, dass ihr hierherkommt?«
    »Vor allem nicht jeden Tag. Kommst du?«
     
    Die Tür ächzte unter einer Unmenge von – hm – Vegetation (Charles hatte auch von Botanik keinen blassen Schimmer), Weinreben und Rosen, okay, aber es gab hier auch Kletterteile in Knallorange, wie kleine Trompeten geformt, und andere, unglaubliche Dinger, blasslila, mit üppigen Fruchtständen und Staubblättern, wie er sie noch nie gesehen hatte, in 3-D, unmöglich zu zeichnen, und überall Blumentöpfe. Auf den Fenstersimsen, am Sockel, auf einer alten Pumpe, auf eisernen, runden und eckigen Tischchen.
    Dicht nebeneinander, gedrängt, gestapelt, manche sogar mit einem Etikett versehen. In allen Größen und aus allen Epochen, gusseiserne

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