Alles Gold Der Erde
weniger Anstoß am Singen und Spielen, sondern an der Tatsache, daß Blossom und ihr Mädchenflor sogleich energisch ins Geschäft eingestiegen waren.
»Wir waren zusammengepreßt wie das Vieh, und wir ärgerten uns in einem fort, und es war so heiß wie im Bauch einer Kuh. Aber dann kamen wir nach Chagres.« Rosabel seufzte tief auf. »Und jetzt schien uns alles, was auf der Falcon passiert war, die reine Seligkeit gewesen zu sein.«
Die Falcon lud ihre Passagiere in Chagres aus. Der Kapitän, der sein Versprechen gehalten hatte, nahm Kurs auf die Heimat und überließ sie ihrem Schicksal.
Chagres, das sieben Breitengrade über dem Äquator gelegen ist, war ein sumpfiges Dorf an einem Fluß. Es war immer heiß, und es regnete auch beinahe immer. Die paar hundert Leute, die dort lebten, waren Abkömmlinge von Indianern, Negern, Spaniern und Matrosen aus vieler Herren Ländern, deren Schiffe irgendwann einmal vor Chagres Anker geworfen hatten. Sie hausten in Hütten aus Schilfrohr, die auf Pfählen errichtet waren. Die Falcon traf in der letzten Dezemberwoche in Chagres ein, aber wie üblich, war es so heiß, daß die Eingeborenen kaum etwas auf dem Leibe trugen; manche waren splitternackt.
»Die armen Damen«, meinte Norman. »Sie waren entsetzt.«
»Ich war auch entsetzt«, sagte Rosabel, »denn ich habe noch nie so häßliche Menschen gesehen.«
Sie schnitt eine Grimasse und erzählte dann weiter:
»Dieses Nest ist schauerlich. Dort gibt es alle Sorten Ungeziefer, von denen man jemals gehört oder die man jemals in einem Alptraum erblickt hat. Jeden Nachmittag regnet es, dann kommt die Sonne heraus, und alle Leute fangen zu dampfen an. Einen solchen Gestank wie dort habe ich noch nie erlebt. Wir fanden keine Unterkunft, wir konnten nichts tun, wir hockten auf unserem Gepäck mit einer Pistole in der Hand, damit uns keiner etwas klaute. In ein paar kleinen Marktbuden gab es Dinge zu kaufen, die von den Schiffen mitgebracht wurden, und wir haben uns Schirme besorgt, aber die taugten nichts.«
»Was habt ihr denn gegessen?« erkundigte sich Kendra.
»Das Zeug aus diesen Marktbuden. Meist Zwieback und Rindfleisch. Es schmeckte grauenhaft.«
Kendra lächelte mitfühlend und dachte an das viele Rindfleisch, das sie in Shiny Gulch gegessen hatte. Norman nahm den Faden auf:
»Wir konnten niemanden finden, der Englisch sprach, aber ein paar von uns aus New Orleans kamen mit ihren Spanischkenntnissen einigermaßen zurecht, und sie fragten, wie man den Isthmus überquere. Die Eingeborenen sagten: ›Ihr müßt mit Booten auf dem Chagresfluß fahren, soweit es eben geht, und dann den Rest des Weges auf Maultieren zurücklegen.‹ Die Leute dort haben bloß Boote, die sie Bongos nennen. Sie fällen einen hohen Baum, höhlen ihn aus und bringen eine Art Baldachin aus Palmwedel an, denn die Sonne würde selbst die Eingeborenen umbringen, wenn sie ihre Köpfe nicht im Schatten halten.«
Er schwieg, und Rosabel ergriff wieder das Wort:
»Zehn oder zwölf Leute drängten sich mit ihrem Gepäck in diese Bongos. Wir mußten eine Menge wegwerfen, weil der Platz sonst nicht ausgereicht hätte. Sitze gibt es in den Booten keine. Wir mußten uns also auf unsere Koffer und Taschen hocken. Jedes Bongo wird von drei oder vier Männern gestakt. Und diese Männer, meine Lieben …«
Sie holte tief Atem.
»Sie sind groß, sie sind gemein, sie schreien und keifen und prügeln einander dauernd. Und sie sind völlig nackt. Auf dieser Fahrt hatten sie aber auch nicht einen Fetzen auf dem Leib.«
»Sie hatten Hüte auf«, berichtigte Norman.
»Entschuldigung«, sagte Rosabel und kuschelte sich in die Kissen, als hätten ihre Erinnerungen sie müde gemacht.
Norman erzählte an ihrer Statt:
»Also gut. Wir wurden in einer Reihe Bongos von diesen nackten Wilden den Fluß hinaufgestakt. In einer Stunde legten sie etwa eine Meile zurück. Sobald wir zu einem schattigen Fleck kamen, ruhten sie sich aus. Nichts konnte sie zum Weiterfahren bewegen. Wir boten ihnen den doppelten Lohn an, zusätzliches Essen – sie dachten gar nicht daran, sich zu beeilen. Die Bäume hingen übers Wasser. Manchmal war das Gewirr von Weinreben so dicht, daß wir nicht durchkamen. Diese Burschen mußten den Weg freihacken. Zu diesem Zweck hatten sie lange Messer bei sich.«
»Wir waren vor Angst halb tot«, erinnerte sich Rosabel. »Diese Kerle mit ihren Messern, die den lieben langen Tag brüllten und heulten … Sie konnten einfach nicht bei der Stange
Weitere Kostenlose Bücher