Alles Gold Der Erde
haben, dennoch hier anzulegen?«
»Sein Starrsinn«, versetzte Marny schroff. »Er wollte nach San Francisco kommen, also kommt er nach San Francisco. Andern Schiffen mag Unheil zustoßen, seinem natürlich nicht.«
Kendra wußte nicht, was sie sagen sollte. Vielleicht hatte Marny recht, wenn sie über Pollocks Wahnvorstellungen lachte. Vielleicht gelang es Pollock tatsächlich, sein Schiff wieder aus dem Hafen herauszumanövrieren und New York zu erreichen. Vielleicht hatte er nach einjährigem Aufenthalt in Asien Marny ganz vergessen.
Dennoch wurde Kendra von einer bösen Vorahnung befallen.
Aber die Cynthia hatte wirklich Glück. Zwar liefen drei Matrosen sogleich davon. Zwei von ihnen, Yankees, hatte Pollock in Kanton angeheuert. Sie gehörten zu der immer größer werdenden Schar jener, die – kaum an Land – prahlerisch behaupten, nur deswegen als Matrosen auf ein Schiff gegangen zu sein, um freie Überfahrt nach San Francisco zu finden. Sie hätten sich in Kalifornien auf alle Fälle dünnegemacht. Der dritte Deserteur freilich zählte zur regulären Mannschaft. Alle andern jedoch kamen wieder aufs Schiff zurück, obwohl sie Löhnung und Landurlaub erhalten hatten.
Captain Pollock konnte diese Anhänglichkeit leicht erklären: Die Cynthia war eben besser als die meisten Schiffe in der Bucht, ja, mehr noch: besser als die meisten Schiffe überhaupt. Schon vor seiner Kapitänszeit war Pollock ein geschätzter Offizier gewesen: Er hatte seinen Leuten stets ein anständigeres Essen und gemütlichere Quartiere gegeben als die Mehrzahl der Kapitäne. Seine Mannschaft war auch immer größer als üblich, so daß die Leute nicht überfordert wurden. Das hatte zur Folge, daß er unter vielen Bewerbern seine Auswahl treffen konnte. Seine Matrosen zählten zu den brauchbarsten. Es überraschte Pollock daher keineswegs, daß sie bei ihm aushielten.
Kendra erfuhr dies durch ihren Mann. Loren erzählte ihr beim Abendessen: »Pollock hat es mir offenbar verziehen, daß ich damals in Honolulu Marny an Bord habe gehen lassen. Kurz nach seiner Ankunft ist Pollock bei Chase & Fenway erschienen. Als er mich sah, begrüßte er mich herzlich. Keine Spur von Groll. Schließlich ist ja auch schon ein gutes Jahr verstrichen, seit er uns verlassen hat. Da alles gutgegangen ist, nimmt er wohl an, die Cynthia hat diese Affäre mit Marny vergessen. Und also ist sie vermutlich auch seinem eigenen Gedächtnis entfallen.«
Kendra hoffte, es möge so sein. »Hast du ihm gesagt, daß wir geheiratet haben?«
»Natürlich. Er hat gesagt, das hört er gern. Alles in allem macht er einen zufriedenen Eindruck. Er scheint auch voller Energie zu stecken.«
»Was hat er denn bei Chase & Fenway getan?« wollte Kendra wissen.
Loren erinnerte sie daran, daß Pollock nicht nur ein guter Seemann sei, sondern auch ein listiger Geschäftsmann. »Er hat mit den Ladenbesitzern über seine Fracht reden wollen. Das meiste sollte zwar in New York verkauft werden. Bevor er jedoch Kanton verließ, hatte Pollock von der Wohnungsnot in San Francisco gehört. Sogleich war ihm der Gedanke gekommen, daraus einen Vorteil zu ziehen: Er hat einige tausend Backsteine mitgebracht, außerdem aber auch eine Anzahl Fertighäuser aus Holz, die in wenigen Stunden zusammengefügt werden können. Am wichtigsten ist aber, daß er als Passagiere fünf erfahrene chinesische Zimmerleute an Bord hat.«
»Zimmerleute!« rief Kendra. »Das müssen wir Dwight Carson sagen. Und zwar schnell, damit sie ihm kein anderer vor der Nase wegschnappt. Mit ihnen kann er den Calico-Palast bauen.«
Loren lächelte sie an. »Ich habe es ihm bereits erzählt.«
»Ach, Loren, Marny wünscht sich so sehr ein richtiges Haus.«
»Das weiß ich doch.«
Kendra mußte an die Hütten denken, in denen Foxy und seine Freunde gehaust hatten. »Vielleicht hättest du Carson aber doch besser geraten, zunächst einmal eine Herberge zu bauen statt des Calico-Palastes. – Nein. Marny hat sich als Freundin erwiesen, als ich eine gebraucht habe, und das werde ich ihr nie vergessen.«
»Auch ich werde es ihr nicht vergessen«, versicherte Loren zärtlich. »Deshalb habe ich ja Carson gebeten, zuallererst ein Haus für Marny zu errichten.«
Kendra überlegte sich, daß Carson auch dann den Calico-Palast gebaut hätte, wenn er von Loren zum Bau einer Herberge gedrängt worden wäre. Kein Mensch würde ihm so viel zahlen wie Marny und Norman. Das Glückspiel und eine reichhaltige Bar brachten mehr ein
Weitere Kostenlose Bücher