Alles Gold Der Erde
erwies er einem Mädchen gewisse Aufmerksamkeiten. Er führte sie zum Essen aus, oder er besuchte mit ihr das neue Theater, das sich Dramatic Museum nannte. Keines dieser Mädchen befriedigte ihn jedoch so recht; Gefallen fand er hingegen an den Theateraufführungen. Es war ein gut geleitetes Theater, das viel Unterhaltung bot. Zuweilen wurde ein ernstes Stück gegeben, meistens aber sah man Komödien oder Singspiele. Marny ging gern mit Dwight hin.
Anders als Norman, war Dwight in diesen Tagen bei bester Laune. Er hatte Hirams Bankhaus beendet, ein zweistöckiges Gebäude mit einem unterirdischen Gewölbe. Der Calico-Palast wuchs stetig in die Höhe, und nun brachte Dwight auch an der Rückfront einen Balkon an. Außerdem baute er zwei kleinere Häuser. Marny berichtete Kendra, überall gehe die Arbeit glatt vonstatten. Dwight freute sich auch darüber, daß die Bauten weniger kosteten, als er erwartet hatte.
Und das hatte seinen Grund. Die Geschäftsleute in Honolulu und in den Hafenstädten der atlantischen Küste wußten von den Feuerbrünsten in San Francisco, von dem überhasteten Wiederaufbau und von den hohen Preisen. Um sich ja kein Geschäft entgehen zu lassen, hatten Hunderte von Unternehmern Steine und Holz geschickt. Nun war der Bedarf gedeckt. Eine Schiffsladung Backsteine, für die Dwight noch vor einem Jahr anderthalb Kilogramm Gold hätte zahlen müssen, war jetzt für dreihundert Gramm zu haben. Manchmal bekam man sie noch billiger.
Die Leute bauten, wohin man auch blickte. Die Männer von der Feuerwehr errichteten an wichtigen Stellen Reservoirs, eines auf der Plaza. Das Füllen der Behälter war stets ein Anlaß zum Feiern. An einem Septemberabend pumpten die Feuerwehrmänner mit viel Pomp und Trara bei Fackellicht das Reservoir auf der Plaza voll. Marny trat auf den Balkon, blieb aber nicht lange. Die fröhliche Zeremonie mit Musik und Geschrei jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Jede Erinnerung an die Feuersbrunst verstörte sie. Marny war durchaus keine zaghafte Frau. Aber sie ängstigte sich, weil die Gefahr nun einmal nicht zu leugnen war.
Elf Tage nach Füllung des Wassertanks auf der Plaza weckten die Alarmglocken der Feuerwehr wieder einmal die Stadt. Es war vier Uhr morgens. Kendra griff nach der kleinen Hütte, in der Geraldine lag. Marny, Norman und die Schwarzbärte debattierten vor den größten ihrer Safes.
»Es brennt im Norden«, rief Troy. »Vielleicht greift der Brand gar nicht auf die Plaza über. Am besten zieht man sich an und hält sich bereit. Jetzt tobt das Feuer auch im Osten, in der Gegend der Montgomery Street.« Marny drehte mit nervösen Fingern an der Zugschnur ihres Lederbeutels. Kendra tat dasselbe. Dann hörten sie Normans laute und wütende Stimme. Lolo, die Angst um den kleinen Zack hatte, schluchzte verzweifelt. Norman schrie sie an, um sie zum Schweigen zu bringen. Kendra fragte Marny:
»Warum schweigt er denn nicht selber?«
»Er ist ständig in miserabler Laune«, antwortete Marny prompt, als sei sie froh, von etwas anderem als dem Feuer sprechen zu können. »Er würde es für alles Gold Kaliforniens nicht zugeben, aber Rosabel fehlt ihm immer noch.«
Bei diesem Namen holte Kendra Luft. »Um Himmels willen! Wenn es nur nicht bei Chase und Fenway brennt!«
»Ich hoffe, daß der Kerl, der dieses Feuer gelegt hat, darin geröstet wird«, stieß Marny wild hervor.
Ob dieser Wunsch in Erfüllung gegangen war, erfuhren sie nie. Später hörten sie, der Brand sei in einem Haus der Jackson Street ausgebrochen, das Penne und Kneipe zugleich gewesen war. Niemand wußte, ob ein Brandstifter sich dort zu schaffen gemacht hatte oder ob ein Mann mit brennender Zigarre eingeschlafen war. Die Feuerwehren waren sogleich zur Stelle, doch die Penne hatte inmitten lauter Holzschuppen gestanden. Die ganze Gegend brannte schon, als die Löschtrupps eintrafen.
Die Männer kämpften wacker, und sie brachten die Flammen auch unter Kontrolle. Das Feuer erreichte die Plaza nicht. Es raste jedoch über einen anderen Bezirk hinweg und beschädigte das Gebäude der Alta California. Die Redaktion der Pacific News wurde zerstört. Einige der besten Geschäfte und Warenhäuser fielen in Schutt und Asche. Was Marny und Kendra besonders schmerzlich war: Das Haus, in dem Pockets Buchhandlung untergebracht war, aber auch Pockets Wohnung brannte nieder.
Am Nachmittag kam Pocket mit Dwight in den Calico-Palast. Pocket hatte Carson im Büro aufgesucht, um über den Neubau der
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