Alles Gold Der Erde
schmächtiges Kerlchen mit sauertöpfischer Miene, schuppigem Haar und schwarzen Fingernägeln. Seinen Anzug schien er bereits seit Wochen zu tragen. Als Kendra vom Pferde stieg, ließ er seinen häßlichen Blick über ihre Gestalt wandern, als könne er durch ihre Kleider sehen.
Ted und Kendra traten in den Schuppen, und Ellet kam hinter seiner Theke hervor, um sie willkommen zu heißen. Er war auch nicht viel reinlicher als Stub, aber er verfügte über eine herzhafte Freundlichkeit, die ihn weit angenehmer machte. Mit einem Seitenblick auf Crawford forschte Ted:
»Was treibt der hier?«
Ellet zuckte mit seinen breiten Schultern. »Ach, dieser verdammte Narr! Er bittet mich in einem fort, seinen Schnaps zu kaufen. Ich will ihn aber nicht. Ich habe meinen eigenen. Ich habe ihm gesagt, er soll doch einen Saloon aufmachen, aber so viel Arbeit will er sich nicht aufladen. Zu faul zum Schaffen, zu faul zum Goldsuchen. Er schleicht den lieben langen Tag mürrisch herum, weil der Herrgott die Welt nicht so einrichtet, wie es ihm am liebsten wäre.«
Damit Kendra Muße fand, sich umzuschauen, sagte Ted, er möchte einige Tücher haben, die den Nacken gegen die Sonne schützten. Ellet hatte eine Vielzahl von Waren, aber in dem Moment, als Kendra ihren Fuß in diese Hütte gesetzt hatte, wußte sie auch schon, daß sie nichts essen würde, das hier feilgeboten wurde. Ellet mochte ein freundlicher Mann sein, aber sie hatte noch nie einen solchen Geruch wahrgenommen wie den in dieser ›Handelsniederlassung‹, und sie hatte auch noch nie so viel Gewürm an einem Platz gesehen. Schon hatte sie das Gefühl, es kröche auf ihrer Haut. Vielleicht war's wirklich so. Im Schuppen war es fürchterlich heiß, und der Geruch machte sie krank. Es stank nach verdorbenen Lebensmitteln, nach schalem Schweiß, nach den nur halb gegerbten Fellen. Sie hörte das gierige Summen der Fliegen und sah schwarze Käfer in die Fässer hinein- und hinauskriechen.
Ein Mann kam mit einem Eimer an und wünschte Mehl. Jovial langte Ellet in ein Faß – es hatte keinen Deckel – und holte Mehl mit einer Schöpfkelle heraus. Kendra sah eine Schabe im Mehl, das Ellet in den Eimer kippte. Der Kunde zahlte mit Goldstaub. Kendra blickte ihm nach und wunderte sich: Hatte er denn nicht auch gesehen, was sie gesehen hatte? Vielleicht nicht, vielleicht machte es ihm nichts aus. Nun, ihr machte es etwas aus. Das Leben im Freien hatte sie weniger empfindlich werden lassen, aber es fiel ihr gar nicht ein, Schaben zu vertilgen. Sie mußte an den Laden in Sutters Fort denken. Er war nicht gerade elegant, doch immerhin ziemlich sauber gewesen. Wenigstens hatte es dort nicht so fürchterlich gerochen wie hier.
»Ich warte draußen auf dich, Ted«, sagte sie.
Sie bestieg ihr Pferd, und als er seine Tücher bezahlt hatte, folgte Ted. Er lachte. »Ich mache dir nicht die geringsten Vorwürfe«, meinte er, als sie fortritten. »Ellet ist kein schlechter Kerl, aber wir werden unsere Lebensmittel doch im Fort besorgen müssen.«
Ted machte sich wieder am Schwingtrog zu schaffen. Sobald Kendra die Erinnerung an diese Handelsniederlassung ausgelöscht hatte, zündete sie ihr Feuer an und hängte einen Kessel mit Bohnen und Rindfleisch darüber. Beides war mit Salbei gewürzt, der purpurfarben auf den Bergen wuchs. Während das Fleisch schmorte, füllte sie einen Topf mit Blättern der wild wuchernden Senfpflanze und setzte ihn zusammen mit einem Würfel ihres immer weniger werdenden Specks ebenfalls auf die Flamme.
Die Schatten wurden länger, aber die Sonne war noch nicht hinter den Bergen untergegangen. Auch die andern Frauen rührten in ihren Kochtöpfen. Kinder trugen Brennholz herbei. Die Männer fanden sich mit ihren Eßgeschirren ein. Andere betraten den Calico-Palast, um ein Gläschen zu kippen oder den Gewinn des Tages bei Marny aufs Spiel zu setzen. Es roch nach Kaffee und Schinken und Salzfleisch. Ted und seine Kompagnons zogen ihren Trog zu der Stelle, wo sie ihn über Nacht liegen ließen. Alle vier winkten ihr zu.
Kendra hörte Pferdegetrappel und blickte sich um. Auf einem häßlichen Klepper kam Stub Crawford auf sie zugeritten. In seiner Satteltasche führte er Schnaps bei sich, den er den Männern bei den Lagerfeuern anzudrehen versuchte. Es kauften jedoch nicht viele; offenbar hatten sie erfahren, wie schrecklich die Brühe war, und wer einen anständigen Drink haben wollte, konnte einen guten im Calico-Palast bekommen, und zwar für weniger Geld
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