Alles Gold Der Erde
wußte. Jetzt wandten sich die Männer an Gene, um Einzelheiten zu erfahren. Einige von ihnen machten Kendra ihre Aufwartung und zugleich einen Heiratsantrag. Andere hingegen dachten mitnichten an eine Heirat. Sie wollten von Gene hören, ob man sie auch ohne Trauung kriegen könne. Was sei denn nun in Wirklichkeit zwischen ihr und ihrem sogenannten Ehemann passiert?
Es dauerte nicht lange, und Gene packte seine Siebensachen zusammen und verließ Shiny Gulch. Er hatte nicht die Absicht, woanders nach Gold zu schürfen; Gene hatte herausgefunden, daß dieses Geschäft nicht nach seinem Geschmack war. Er ritt zurück nach Sutters Fort, um wieder seinen alten Posten bei Smith und Brannan zu übernehmen. Laut und feierlich verkündete er, daß er wünschte, diesen Laden nie verlassen zu haben.
Kendra sah ihn nicht ungern scheiden. Sie mochte ihn zwar, doch wirkte seine Anwesenheit immer noch ein wenig peinlich auf sie.
Während diese heißen trockenen Wochen vergingen, fühlte sich Kendra keineswegs glücklich. Immerhin wurde sie entschädigt. Ihre Freunde schätzten sie, und sie achtete auf sich selbst. Sie bekam einen neuen Wildlederbeutel, den Hiram in der Handelsniederlassung für sie gekauft hatte, und da er von Woche zu Woche schwerer wurde, empfand sie Freude, weil sie niemandem verpflichtet war. Freilich war es gewissermaßen eine freudlose Freude, aber Kendra war gleichzeitig ein wenig stolz.
Tag um Tag dachte sie darüber nach, warum die Erinnerung an Ted ein solches Verlangen nach ihm in ihr wachrief. Sie hatte gesagt, sie sei fertig mit ihm, und das hatte sie auch so gemeint; aber sie konnte nicht vergessen, wie schön es bei ihm gewesen war. Sie verachtete ihn wegen seiner Feigheit, aber immerzu mußte sie denken: Um Himmels willen, wie fehlt er mir doch! Sie nahm ihm übel, daß er sie in einer Traumwelt hatte leben lassen, aber sie konnte nicht vergessen, wie glücklich sie gewesen war, solange dieser Traum gedauert hatte.
Sie erinnerte sich ihrer ersten Begegnung. Wie unverschämt hatte er sie damals angesehen. Sie kannten sich erst zehn Minuten, und schon fühlten sie einander so nahe. War das Liebe auf den ersten Blick gewesen? Ja, bestimmt.
Sie redeten sich ein: Liebe auf den ersten Blick muß so schnell vergehen, wie sie gekommen ist. Aber warum tut sie das nicht? Warum schmerzt Liebe so?
Tag um Tag wiederholte sie sich die Worte: Schon der Gedanke an ihn ist mir verhaßt. Aber sogleich meldete sich eine andere Stimme in ihr zu Wort, die sprach: Ich würde alles Gold Kaliforniens hingeben, wenn ich ihn nur wieder bei mir hätte. Nein, ich will ihn nicht wiederhaben. Doch, ich will ihn wiederhaben.
Marny vermochte diesen Konflikt nicht zu verstehen. Sie strahlte die Wärme ihres großmütigen Herzens aus, doch wie so viele Menschen, die niemals wirklich geliebt haben, wußte Marny nichts von diesen ekstatischen und unbegreiflichen Qualen. Sie konnte nicht einsehen, warum Kendra das Gefühl haben sollte, sie sei in zwei Stücke gerissen. Als sie an einem sengend heißen Nachmittag beisammen saßen, versuchte Marny, Kendra zur Vernunft zu bringen.
»Sie sind doch nicht etwa schwanger?«
»Nein, gewiß nicht.«
»Dann brauchen Sie sich doch auch keine Sorgen zu machen«, meinte Marny.
»Ich mache mir keine Sorgen. Das ist wie ein – wie ein Kampf in mir.«
»Kendra«, sagte Marny geduldig und mit herzlicher Zuneigung, »die Welt ist noch genauso, wie sie gewesen ist, bevor Sie Ted kennengelernt haben. Nichts hat sich geändert. Sie sind nur klüger geworden.«
Kendra blickte über die Schlucht. Es war nun August und sehr heiß. Die Arbeit wurde härter, weil das Gewässer im regenlosen Sommer zu einem Rinnsal geworden war. Ning hatte jeden Nachmittag eine Ruhepause angeordnet. Ning und Hiram lagen schlafend unter einem Baum, und an einer anderen schattigen Stelle schlief auch Pocket. Kendra schaute wieder Marny an, und Marny fuhr fort:
»Wenn Sie Shiny Gulch verlassen, werden Sie sofort zu dem Alcalden gehen, der Ihre Eheschließung für ungültig erklären muß. Sobald Ihr Stiefvater in die Vereinigten Staaten zurückversetzt wird, begleiten Sie ihn. Dort wird kein Mensch etwas von dieser Affäre wissen. Alex und Eva werden – so wie Sie mir die beiden geschildert haben – kein Wörtchen darüber verlauten lassen. Sie werden andere Männer kennenlernen und einen von ihnen heiraten.«
Kendra schüttelte den Kopf. »Ich werde nie wieder den Mut aufbringen, es noch einmal zu
Weitere Kostenlose Bücher